Ist doch alles gar nicht so „drachmatisch“

Griechenlands Ausscheiden aus der Eurozone wird zum „Super-GAU“ inszeniert. Doch vieles spricht dafür, dass der Verbleib des Landes im Euro weit teurer käme.

Die wahre Kunst im Leben scheint kaum darin zu liegen, unangenehme Dinge klar und deutlich auszusprechen. Das ist vielen Menschen zu banal geworden, nicht nur den mutlosen, die sich vor den Folgen schlechter Botschaften fürchten. Weshalb schreckliche Nachrichten hübsch verpackt werden, um es den Rezipienten zu ermöglichen, besser damit zurechtzukommen. So wird die schrumpfende Wirtschaftsleistung eines Landes rasch zum „Negativwachstum“, während höhere Steuern zum „einnahmenseitigen Sparen“ avancieren und horrende Verluste börsenotierter Firmen mit „Gewinnwarnungen“ angekündigt werden. Auch, wenn das nichts anderes ist, als einen herannahenden Tornado mit einer „Schönwetterwarnung“ zu versehen.

Auffallend häufig anzutreffen sind derartige „Schönwetterwarnungen“ dieser Tage in der Eurozone. Langsam, aber sicher scheint sich nämlich die Erkenntnis durchzusetzen, dass Griechenland im Euro nicht zu halten ist. Um zu verhindern, dass in der Bevölkerung der Eindruck entstehen könnte, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wäre tatsächlich so etwas wie ein Austritt aus der Eurozone, läuft das kreative Wortspiel auf Hochtouren. Den jüngsten Höhepunkt liefert der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, der die Einführung eines „Geuro“ propagiert.

Ein hässlicher Name für eine ziemlich hässliche Idee: Griechenland solle mit dem „Geuro“ eine Parallelwährung zum Euro einführen, die maximal halb so viel wert sei wie der offizielle Euro. Griechenland hätte so die Möglichkeit, seine Währung abzuwerten, ohne aus der Eurogruppe auszuscheiden. Derzeit ist die Rechtslage ja so, dass Griechenland die Hartwährungszone nur dann verlassen kann, wenn es auch aus der EU austritt.

Mit dem „Geuro“ bliebe es der Eurozone wenigstens erspart, eines ihrer Mitglieder zu verlieren. Denn das, so lautet der Tenor, käme einem ökonomischen „Super-GAU“ gleich. Nun wird niemand bestreiten, dass der Euro-Austritt Griechenlands eine höchst unangenehme, weil sündteuere Angelegenheit wäre. Warum das aber gleich in eine ökonomische Kernschmelze münden sollte, ist schwer nachzuvollziehen. Das hieße nämlich auch, dass die viel gepriesenen (und ebenfalls nicht gerade günstigen) Brandmauern für den sprichwörtlichen Hugo wären. Sind sie aber nicht: Ein Austritt Griechenlands ist heute zweifellos besser zu verkraften als vor zwei Jahren, weil die Schockwirkung wegfällt.

Interessant ist auch, dass ausgiebig an den Kosten eines griechischen Euro-Austritts gerechnet wird, aber niemanden zu interessieren scheint, was denn die Eurozone ein Verbleib Hellas kosten würde. Mittlerweile sieht es nämlich verdammt stark danach aus, dass diese Variante weit teurer käme. Immerhin wurden aus den 15 Milliarden Euro, die im Mai 2010 veranschlagt wurden, um Griechenland vor der Pleite zu retten, 380 Milliarden Euro. Mit dem unerfreulichen Ergebnis, dass die ökonomische Lage des Landes schlimmer denn je ist. Womit der ehrenwerte Versuch, Griechenland nachträglich „Euro-fit“ zu machen, als gescheitert betrachtet werden darf.


Nun könnte man diesen Feldversuch freilich fortsetzen. Aber mit welchem Ziel und zu welchem Preis? Um Griechenland die Chance zu nehmen, mit einer abgewerteten Drachme konkurrenzfähig zu werden und so aus eigener Kraft wieder auf die Beine zu kommen? Oder um die geheimen Hoffnungen der erbittertsten Euro-Gegner zu erfüllen und den Zerfall der gesamten Währungsunion vorzubereiten? Genau das wird passieren, wenn einmal klargestellt ist, dass sich die Eurogruppe von hoch verschuldeten Partnerländern erpressen lässt und dauerhaft für deren Verbindlichkeiten aufkommt.

Griechenland wird weiter Finanzhilfen benötigen, keine Frage. Es wäre aber allemal besser, diese einem Land zu gewähren, das die Perspektive hat, mit einer weichen Währung im Wettbewerb bestehen zu können. Und für das rechtliche Problem, dass Griechenland den Euro nur verlassen kann, wenn es auch aus der EU austritt, wird sich eine Lösung finden. Im Brechen von Verträgen sind die EU-Länder ja geübt. In diesem Fall wäre es wenigstens für einen guten Zweck. Und an der passenden Formulierung wird es wohl auch nicht scheitern.

E-Mails an: franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2012)

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