Brand: „Zu wenig Inhalt für Protest“

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Globalisierungsforscher Ulrich Brand sieht die Piraten als Stimme der „kreativen Klasse“.

Die Presse: Sind die Piraten eine junge Partei wie jede andere oder etwas Neues?

Ulrich Brand: Das Spannende an den Piraten ist die Gruppe, die sie wählt. Ich würde das mit Richard Florida (Anm. US-Autor) „die kreative Klasse“ nennen: Das sind eher junge, digital sozialisierte, individualistische Menschen, die eine sonst sehr heterogene, diffuse Gruppe bilden. Diese Schicht entdeckt sich über die Piraten gerade politisch selbst.

Aber wenn die Piraten zu den Kreativen zählen, warum wollen sie dann das Einkommen Kreativer beschneiden – Stichwort: Urheberrecht im Internet?

Ja, das ist widersprüchlich. Aber zur kreativen Klasse zählen nicht nur Musiker, sondern auch Intenet-Dienstleister, die gern Software gratis nützen wollen.

Hat Marina Weisband von den deutschen Piraten recht, wenn sie sagt, dass die Piraten der politische Arm einer globalen Bewegung sind?

Nein. Die Piraten sind gerade nicht Ausdruck einer globalen, sozialen Bewegung. Sonst könnte man ihre Inhaltslosigkeit ja gar nicht erklären. Wegen dieser Inhaltsleere sind die Piraten sicher auch keine Partei der Rebellion – auch wenn sie ihre Wahlergebnisse der der derzeitigen Repräsentationskrise verdanken: also dem Fakt, dass die Bevölkerung ihre Anliegen nicht mehr durch die Parteien vertreten sieht.

Die Piraten sind keine Protestpartei, bekommen aber Proteststimmen?

Genau.

In Österreich gehört der Protest der FPÖ. Wird Protest durch die Piraten nun links – oder zumindest linker?

Das ist tatsächlich ein Unterschied zu Deutschland, wo historisch bedingt das Protestspektrum nicht von rechts außen besetzt ist. Ich denke, dass die Piraten in Österreich auch rechten Protest anziehen. Die Frage ist, ob sich damit die Akteure ändern. Wenn FPÖ-Aktivisten bei den Piraten mitarbeiten, sind die Piraten politisch sofort tot. Denn sie bilden dann die soziale Gruppe, für die sie stehen, nicht mehr ab. uw

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2012)

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