Küssel-Prozess: Verteidiger referiert über Hitler

Küssel im Gerichtssaal.
Küssel im Gerichtssaal.(c) APA/HELMUT FOHRINGER (Helmut Fohringer)
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Am dritten Verhandlungstag spielt sich der Anwalt eines Mitangeklagten in den Mittelpunkt. Der beisitzende Richter: "Das wird langsam ein Kasperltheater".

Zu Beginn des dritten Verhandlungstags im Prozess gegen den Rechtsextremisten Gottfried Küssel und seine Mitangeklagten Felix B. und Wilhelm A. wegen Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes hat sich der Verteidiger des Zweitangeklagten in den Mittelpunkt gespielt. Der Anwalt Herbert Orlich gab am Donnerstag einen Vortrag über Adolf Hitler zum Besten, lieferte sich einen verbalen Schlagabtausch mit dem Gericht und unterstellte der Vorsitzenden Martina Krainz, diese wäre nicht an der Wahrheitsfindung interessiert. Orlich wurde daraufhin formell abgemahnt.

Die Verhandlung hatte mit der Einvernahme eines 20-jährigen Burschen begonnen, der im April 2010 an einer Feier der Akademischen Ferialverbindung Reich teilgenommen hatte. Der Zeuge erklärte unter Wahrheitspflicht, Felix B. habe dort eine fünfminütige, "glorifizierende" Rede auf Adolf Hitler gehalten, "die für mich gefühlsmäßig als Huldigung rübergekommen ist". Anschließend hätten alle Anwesenden - etwa 20 bis 25 Männer - unter dreimaligem "Sieg Heil"-Ruf den Hitlergruß getätigt.

Um zu überprüfen, was der Zeuge als "glorifizierend" betrachte, verlas der Rechtsvertreter von Felix B. im Anschluss minutenlang Ausführungen über Hitler, wobei Orlich seine Quelle nicht bekanntgeben wollte. Er habe jedenfalls "die Judenvergasung weggelassen", betonte der Anwalt.

Verteidiger führt Hitlergruß vor

Danach wollte Orlich vom 20-Jährigen wissen, auf welche Weise die Männer bei der Feier die Arme zum Hitlergruß gehoben hätten. Der Zeuge, der deswegen nach dem Verbotsgesetz bereits rechtskräftig zu 18 Monaten bedingter Haft verurteilt worden ist, weigerte sich, den Gruß nachzumachen. "Beschreiben Sie es! Ich zeige es, ich werde bestraft", verlangte Orlich, der am Ende tatsächlich den ausgestreckten rechten Arm in die Höhe hob.

Im Anschluss wurde die Leiterin des Extremismus-Referats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Sybille Geissler, in den Zeugenstand gerufen. Als die Beamtin nicht bekanntgeben wollte, wie viele Beamte ihre Abteilung umfasst und sich dabei auf die Amtsverschwiegenheit berief, verlangte Orlich, die Zeugin zu entlassen und sich von der Verschwiegenheitspflicht entbinden zu lassen. Als das Gericht dem nicht nachkam, fragte Orlich in forschem Tonfall die Vorsitzende: "Sind Sie an der Wahrheitsfindung orientiert?"

"Das wird langsam ein Kasperltheater"

"So was habe ich in 30 Jahren als Richter nicht erlebt, was Sie hier aufführen. Das wird langsam ein Kasperltheater", bemerkte in dieser Situation der beisitzende Richter Norbert Gerstberger. Orlich war kaum zu beruhigen und gab sinngemäß zu verstehen, man möge ihn ruhig bei der Rechtsanwaltskammer anzeigen: "Ich warte nur darauf, dass ich der Rechtsanwaltskammer belegen kann, was hier passiert."

"Details weiß der Beamte"

Obwohl sie sämtliche Berichte des BVT an die Staatsanwaltschaft unterschrieben und nach eigenem Bekunden auch gelesen hatte, konnte Geissler auf zahlreiche Fragen des Küssel-Verteidigers Michael Dohr keine erschöpfende Antwort geben. Sie könne sich "daran nicht mehr erinnern", hieß es immer wieder. Oftmals verwies die ranghohe Verfassungsschützerin "auf den Beamten H.", der federführend im Fall "alpen-donau-info" ermittelt hatte. Dieser Beamte soll beim nächsten Verhandlungstermin am 26. Juni vernommen werden.

Der Rechtsvertreter Küssels hatte von Geissler zunächst wissen wollen, weshalb sein Mandant in der Anklageschrift als einer der Betreiber der "alpen-donau-info" bezeichnet werde, obwohl es in diese Richtung keinen Beweis gebe. Küssel sei "Verantwortlicher, landläufig sprechen wir vielleicht auch von einem Betreiber" gewesen, meinte Geissler. Sie verwies "auf Sachbeweise, die wir haben". Auf eindringliches Befragen Dohrs konnte sie allerdings keine nennen: "Details weiß der Beamte H."

(APA)

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