Eurozone arbeitet an Schuldenfonds

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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt unter Druck: Bis beim nächsten EU-Gipfel im Juni werden die rechtlichen Grundlagen für eine zumindest teilweise Vergemeinschaftung der Staatsschulden geklärt.

Brüssel. Bei seinem ersten Europäischen Rat in Brüssel hat Frankreichs neuer Präsident François Hollande in der Nacht auf Donnerstag die Debatte über die Schaffung von Eurobonds maßgeblich beeinflusst. Schon beim nächsten EU-Gipfel in vier Wochen wird Ratspräsident Herman Van Rompuy einen Bericht darüber vorlegen, wie die „Wirtschafts- und Währungsunion auf eine neue Ebene“ gehoben werden kann.

Dabei werde es ausdrücklich auch um die rechtlichen Fragen gehen, die mit einer zumindest teilweisen Vergemeinschaftung der Staatsschulden in der Eurozone verbunden sind, sagte Van Rompuy. „Es gibt kein Zieldatum, aber die Schaffung von Eurobonds ist eine Möglichkeit, die auf dem Gipfel diskutiert wurde“, fügte eine Sprecherin der Europäischen Kommission hinzu.

Van Rompuys Bericht wird sich auf Vorarbeiten der Kommission stützen. Am 23.November 2011 hatte sie drei Vorschläge für „Stabilitätsanleihen“ vorgestellt. Eine dieser Varianten wäre ohne Änderung der EU-Verträge umsetzbar: Die Euroländer begeben gemeinsame Anleihen, aber jeder haftet nur für seinen Teil. Um diese geteilten gemeinsamen Bonds attraktiver zu machen, würden sich die Länder verpflichten, die Zahlung ihres Anteils durch Sondersteuern oder Gold- und Währungsreserven zu garantieren.

Gute blaue und böse rote Bonds

Dieses Modell befürwortet übrigens Italiens Ministerpräsident Mario Monti – Hollandes wichtigster Verbündeter im Kreis der Staats- und Regierungschefs.

Auch eine zweite Variante gewinnt nun an Unterstützung. In einem gemeinsamen Tilgungsfonds würden die Euroländer beispielsweise 60 Prozent ihrer neuen Schulden gemeinsam über „blaue“ Anleihen aufnehmen. Für deren Bezahlung würden alle gemeinsam haften. Will oder muss ein Staat mehr Schulden machen, ist er allein dafür verantwortlich. Diese „roten“ Anleihen wären viel riskanter als die „blauen“, hinter denen die gesamte Eurozone stünde. Das, so die Hoffnung, würde davon abhalten, sich zu stark zu verschulden. Diesen Schuldentilgungsfonds haben übrigens die deutschen „Wirtschaftsweisen“ (das wichtigste Beratergremium der Berliner Regierung) ebenfalls schon 2011 vorgestellt. Dabei würden alle Schulden, die 60 Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigen, in einen gemeinsamen Fonds übertragen, der sie binnen 20 bis 25 Jahren abträgt. Das entspricht der Regel aus dem Stabilitätspakt, wonach die Euroländer ihre Schulden jenseits der 60-Prozent-Grenze um ein Zwanzigstel pro Jahr abbauen müssen.

Sturm auf Merkels Mauer

Allerdings kommt es bei dieser Spielart zu einer teilweisen gegenseitigen Haftungsübernahme. Das verbieten aber die EU-Verträge und das deutsche Grundgesetz. Darum versucht Kanzlerin Angela Merkel, die Debatte über jegliche Vergemeinschaftung der Schuldenaufnahme im Keim zu ersticken. „Es hat keinen Sinn, dass alles jetzt durch Eurobonds oder welche scheinbar solidarischen Instrumente auch immer zuzukleistern und anschließend noch schwierigere Verhältnisse vorzufinden“, sagte sie am Donnerstag.

Doch zwei jüngste Entwicklungen setzen Merkel unter Druck. SPD und Grüne fordern im Gegenzug für ihre Zustimmung zum Euro-Währungsfonds ESM und zum Fiskalpakt die Schaffung eines Tilgungsfonds. Das Europaparlament knüpft dieselbe Bedingung an seine Einwilligung in die von Merkel gewünschte Verschärfung der Regeln des Stabilitätspaktes.

Draghi kritisiert die Politiker

„Die deutsche Position lautet: Eurobonds sind der Abschluss des Prozesses. Wir sagen: Sie müssen der Ausgangspunkt sein“, erklärte Hollande. Zumindest in einem Punkt muss er sich Merkels Weltsicht fügen: Nach starkem Protest von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), gegen politische Zurufe, habe Ratspräsident Van Rompuy die Debatte über die Rolle der EZB mit den Worten „Das ist jetzt unsere gemeinsame Linie“ beendet, sagte ein Beobachter des Gipfels zur „Presse“. Am Donnerstag ging Draghi in einer Rede mit Europas Politikern hart ins Gericht: „Die Regierungen müssen jetzt eine gemeinsame und unumstößliche Vision für die politische und wirtschaftliche Verfasstheit finden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2012)

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