Europawahl: „Monopol der etablierten Parteien“

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Die neue Parteienfinanzierung diskriminiert Abspaltungen und neue Parteien bei EU-Wahlen. Hat die ÖVP einer möglichen Karas-Kandidatur den Riegel vorgeschoben?

Wien. „Das bedeutet ein Aussperren der demokratischen Konkurrenz.“ Mit scharfen Worten kritisiert der ehemalige grüne Europaabgeordnete Johannes Voggenhuber den Entwurf für das neue Parteiengesetz. Er ist nicht der Einzige. Auch Hans-Peter Martin oder Othmar Karas laufen gegen die Regierungsvorlage Sturm. Kommt das Gesetz nämlich in der vorbereiteten Form, so werden alle politischen Gruppen, die nur bei Europawahlen antreten, diskriminiert. Sie bekommen für ihre Wahlkämpfe schlicht keine finanziellen Mittel mehr, während sich die im Nationalrat vertretenen Gruppen selbst eine deutliche Erhöhung ihrer öffentlichen Förderungen zugestehen wollen.

Europawahlen sind weder bei den etablierten Parteien noch bei den Wählern beliebt. Trotz des direkten Einflusses der Abgeordneten auf neue EU-Regeln, trotz wachsender Bedeutung der europäischen Gesetzgebung konzentrieren sich die österreichischen Parteien seit jeher lieber auf Nationalratswahlen. Und die sinkende Wählerbeteiligung bei Europawahlen – zuletzt lag sie bei lediglich 46 Prozent – ist eine direkte Folge davon.

SPÖ und ÖVP verknüpfen mit den Europawahlen zudem schlechte Erfahrungen: Die SPÖ mit der letztlich in einer Abspaltung mündenden Kandidatur des parteilosen Hans-Peter Martin 1999 und die ÖVP mit den internen Spannungen nach der Desavouierung von Othmar Karas 2009, dem trotz Vorzugsstimmen die Delegationsleitung vorenthalten wurde. Er hat mittlerweile ein proeuropäisches Bürgerforum gegründet, das bereits jetzt überparteilich agiert. Bei den letzten Europawahlen, bei denen die ÖVP-Führung auf Ernst Strasser als Spitzenkandidaten gesetzt hatte, erhielt Karas rund 113.000 Vorzugsstimmen. Allein das entspräche bei Europawahlen knapp vier Prozent der Wählerstimmen – fast so viele, wie zuletzt das BZÖ erhielt. Seine eigenständige Kandidatur würde die ÖVP mit hoher Wahrscheinlichkeit spürbar schwächen.

Das neue Parteiengesetz schiebt jetzt solchen möglichen Abspaltungen und Neugründungen zumindest bei Europawahlen einen Riegel vor. Denn der Entwurf sieht vor, dass Listen oder Bewegungen, die nur für das EU-Parlament kandidieren, künftig keine staatliche Parteienförderung mehr erhalten sollen. Bisher hatten sie Anspruch auf einen Beitrag für ihre Wahlkampfkosten. Staatliche Unterstützung sollen künftig lediglich die im Nationalrat vertretenen Gruppen erhalten sowie Parteien, die bei Nationalratswahlen kandidieren.

„Eine perfide Aktion“

„Das ist die Monopolisierung der etablierten Parteien“, kritisiert Johannes Voggenhuber, der selbst über eine Kandidatur bei Europawahlen nachdenkt. Er sieht „eine perfide Aktion“, die sich klar gegen Abspaltungen und Neugründungen richtet. „Nicht einmal die parlamentarische Opposition nimmt dagegen Stellung, dass die Demokratie auf diese Weise unterwandert wird“, ärgert sich Voggenhuber auch über die Grünen.

Hans-Peter Martin sieht für sich die Felle davonschwimmen. Es sei hoch bedenklich, „wenn man nur jene unterstützt, die sowieso schon drinnen sind“, sagt er. Martin spricht von einem „Kartell der etablierten Parteien“. Sollten die Koalitionsparteien glauben, so das Entstehen neuer Parteien zu verhindern, so sei das „kurzsichtig und ein eklatantes Schwächezeichen“, kritisierte Othmar Karas zuletzt in einer Aussendung.

Bei Nationalratswahlen ist und bleibt auch für Kleinparteien die Regelung besser: Parteien, die den Einzug ins Parlament nicht schaffen, aber zumindest ein Prozent der Stimmen erreichen, haben (für das Wahljahr) weiterhin „Anspruch auf Fördermittel für ihre Tätigkeit“, wie es in der Regierungsvorlage heißt. Dieses Geld sei „in dem auf die Nationalratswahl folgenden Halbjahr auszubezahlen“.

Aus früherem Entwurf gestrichen

In einem früheren Entwurf wurden Europawahlen noch gleichermaßen wie Nationalratswahlen berücksichtigt: „Jede politische Partei, die nach einer Wahl zum Europäischen Parlament mit Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten ist, hat Anspruch auf einen Wahlwerbungskosten-Beitrag“, hieß es da. Doch dieser Passus wurde später wieder gestrichen. An der Änderung war auch der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll beteiligt, der das neue Gesetz intern scharf kritisiert hatte.

Das neue Parteienfinanzierungsgesetz wird derzeit mit der Opposition verhandelt und soll noch vor der Sommerpause des Nationalrats beschlossen werden. Geplant ist, dass es mit 1. Juli in Kraft tritt.

Auf einen Blick

Parteien, die nur bei Europawahlen kandidieren, sollen künftig keine finanzielle Unterstützung mehr erhalten. So steht es in der Regierungsvorlage für das neue Parteiengesetz. Die etablierten Parteien können sich damit gegen Abspaltungen und Neugründungen schützen. Demokratiepolitisch sei das bedenklich, wird kritisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2012)

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