Die Bankia braucht bis zu 20 Mrd. Euro vom Staat. Bislang war man von 4,5 Mrd. Euro ausgegangen. Auch weitere Institute werden schon bald Hilfe benötigen.
Madrid. Die schwer angeschlagene Bankenbranche droht für den spanischen Staat ein Fass ohne Boden zu werden. Die wankende Großbank Bankia braucht weitere Milliardenhilfen, um einen Zusammenbruch abzuwenden. Offenbar muss der Staat nochmals 15 Milliarden Euro in das viertgrößte Geldhaus des Landes stecken – nachdem er bereits vor zwei Wochen mit 4,5 Milliarden ausgeholfen hat.
Angesichts der dramatischen Lage wurde die Börsennotierung Bankias ausgesetzt. Mit dieser Nothilfe bahnt sich die größte staatliche Rettungsaktion an, die Spaniens Wirtschaft jemals gesehen hat. Wirtschaftsminister Luis de Guindos sagte Bankia zu, den Geldhahn weit zu öffnen: Der Staat werde „so viel Kapital wie notwendig bereitstellen“. Es gilt als wahrscheinlich, dass Spanien demnächst noch weiteren Geldhäusern unter die Arme greifen wird. Bisher wurden bereits acht Institute verstaatlicht.
Die spanischen Sparkassen und Banken müssen nach dem Immobiliencrash, der im Jahr 2008 begann, Milliardenverluste verdauen. Die Bilanzen werden durch Altlasten aus schwer verkäuflichen Immobilien und faulen Krediten in Höhe von mindestens 180 Milliarden Euro belastet. Der Internationale Bankenverband IIF schätzte dieser Tage, dass die Kreditbranche sogar auf „giftigen“ Immobilienwerten im Wert von bis zu 260 Milliarden Euro sitze. Spanien müsse sich darauf einstellen, dem maroden Bankensektor noch mit bis zu 60 Milliarden Euro beim Überleben zu helfen.
Staatsverschuldung steigt rasant
Das wirft freilich die Frage auf, woher das Geld kommen soll. Immer neue Haushaltslöcher, die das spanische Defizit für 2011 inzwischen auf 8,9 Prozent der Wirtschaftsleistung hochtrieben, nähren Zweifel an Spaniens Stabilität. Zwar hofft das Euroland, die Milliardenhilfen an die Banken nach einem Verkauf der verstaatlichten Geldhäuser wiederzusehen. Doch das Beispiel Bankia zeigt, dass dies nicht einfach sein wird: Das Geldhaus hat bereits fast zwei Drittel seines Börsenwertes verloren.
Unterdessen wächst in der spanischen Bevölkerung der Unmut über die „Milliardengeschenke an die Banken“. In einer Erhebung der konservativen Tageszeitung ABC waren drei von vier Befragten dagegen, Bankia mit Staatsgeldern zu helfen, während staatliche Ausgaben für Bildung, Gesundheit und soziale Leistungen gekürzt werden.
„Wer hilft den Bürgern, die ihre Arbeit verloren haben, ihre Hypothek nicht mehr bezahlen können und von ihrer Bank aus der Wohnung geworfen werden?“, empörte sich ein ABC-Leser. Durch die tiefe Wirtschaftskrise sind in Spanien inzwischen 25 Prozent der aktiven Bevölkerung ohne Job. 2011 verloren etwa 60.000 Menschen per Räumungsklage ihre eigenen vier Wände.
Wegen der immer teurer werdenden Bankenrettung fordert die Opposition nun eine parlamentarische Untersuchung, um etwaige Malversationen aus der Vergangenheit aufzuklären.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2012)