Der Hobbit, der Zauberer, die Zwerge und der Schatz

Der Schatz in unserer Hand birgt den Zauber der Gier. Es kommt auf unsere Entscheidung an. Wofür setze ich ihn ein?

Hobbits sind etwas größer als Zwerge, haben runde Gesichter mit großen Mündern, die gern lachen. Und sie neigen dazu, ein Bäuchlein zu entwickeln, da sie gern vier Mal am Tag anständig essen. Hobbits sind gemütliche Zeitgenossen und meist nicht zu Abenteuern aufgelegt.

Bei Bilbo taucht eines Morgens ein unerwarteter Gast auf, der ihn in ein noch viel weniger erwartetes Abenteuer verwickelt. Gandalf, der Zauberer, hat den Hobbit dazu ausersehen, eine Bande von Zwergen zu begleiten, ihre vor langer Zeit verlorenen Goldschätze in den Bergen des Nordens wiederzuerobern. Bilbos großes Glück hilft der Bande, viele Gefahren zu bestehen, in die Höhle vorzudringen und die unermesslichen Schätze wiederzugewinnen.

Doch der Schatz birgt Gefahren. Sein Zauber hat von Thorin Oakenshield, dem Anführer der Zwerge, Besitz ergriffen, und schon ziehen Heere umliegender Völker von Zwergen und Elfen heran, um sich notfalls im Kampf ihren Anteil zu sichern.

Bilbo jedoch hat sich den wertvollsten Edelstein aus dem Herzen des Bergs unter den Nagel gerissen. Er setzt den Edelstein als Pfand ein, um zwischen den Kriegsparteien zu verhandeln. Er setzt sein Leben aufs Spiel, um seine Freunde, die Zwerge, vor ihrer eigenen Gier zu schützen.

John Ronald Reuel Tolkiens „Hobbit“ erschien 1937 und die sich anschließende Trilogie „Der Herr der Ringe“ 1954/55. Die Erzählungen sind nicht nur Produkt eines ausgeklügelten sprachwissenschaftlichen Gedankenexperiments des Oxforder Professors, sondern auch Ausdruck von Tolkiens christlichen Überzeugungen als frommem Katholiken.

»Als Jesus wusste, dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hatte...«

Joh 13,3

Es verwundert daher nicht, dass sich das Thema des Umgangs mit Besitz und Macht auch an dem Wendepunkt des Johannesevangeliums spiegelt. „Als Jesus wusste, dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hatte“ – im Moment seiner größten Macht –, nimmt Jesus ein Handtuch, um seinen Freunden die Füße zu waschen. Für Johannes ist dies das innerste Sinnbild für die zärtliche Freundschaft, die der allmächtige Gott den Menschen in Jesus zeigt.

Die Macht, die Johannes Jesus zuspricht, gilt nach den biblischen Schöpfungserzählungen allen Menschen. Nach der Sintflut segnet Gott Noahs Familie, die Menschheit, mit den Worten: „Furcht und Schrecken vor euch soll sich auf alle Tiere der Erde legen, auf alle Vögel des Himmels, auf alles, was sich auf der Erde regt, und auf alle Fische des Meeres; in eure Hand sind sie gegeben.“ Wie wahr diese Worte sind, zeigt sich erst heute, zweieinhalb Jahrtausende nachdem dieser Text geschrieben wurde.

Der Schatz in unserer Hand birgt den Zauber der Gier. Es kommt auf unsere Entscheidung an. Wofür setze ich den Schatz ein, der mir in die Hand gelegt ist?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2012)

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