Parlamentschefs: Abwahl dürfte möglich werden

(c) APA (Georg Hochmuth)
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Nach SPÖ und Grünen schwenkt auch Vizekanzler Michael Spindelegger ein. Die Nationalratspräsidenten sollen aus dem Amt gewählt werden können. Die aktuelle Debatte wurde durch die Causa Graf ausgelöst.

Wien. Die Zeichen stehen darauf, dass die Zeit der sakrosankten Nationalratspräsidenten bald vorbei ist. So überrascht die ÖVP jetzt mit ihrem Vorpreschen für eine Abwahlmöglichkeit für Nationalratspräsidenten. Vizekanzler Parteiobmann Michael Spindelegger begründete die nunmehrige Position seiner Partei unabhängig von der aktuellen Causa Graf im Gespräch mit der „Presse“ so: „Es kann nicht sein, dass jemand auf ewig gewählt ist.“ Und weiter: „Es muss auch möglich sein, die Notbremse zu ziehen.“ Über den konkreten Abwahlmodus werde bereits auf Parlamentsebene diskutiert, präzisierte ein Spindelegger-Sprecher.

Die Erste Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) macht indes Werbung für ihren Vorschlag: So soll die Hälfte der Abgeordneten die Abwahl eines Nationalratspräsidenten beantragen können. Nach einer „Abkühlphase“ von sechs Wochen bis zwei Monaten soll dann abgestimmt werden: Plädieren dabei zwei Drittel gegen einen Präsidenten, würde dieser sein Amt verlieren.

Da die Grünen schon länger vehement für eine Abwahlmöglichkeit eintreten, wäre die Zweidrittelmehrheit gesichert. Diese ist nötig, um die Geschäftsordnung des Nationalrats zu ändern.

Die aktuelle Debatte wurde durch die Vorwürfe einer 90-jährigen Frau gegen den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) ausgelöst. Sie behauptet, von Graf als juristischem Berater getäuscht worden zu sein. Die Frau brachte demnach auf Grafs Anraten ihr Vermögen von rund einer Million Euro in eine Stiftung ein. Erst später will die Frau erfahren haben, dass sie nicht mehr über ihr Geld verfügen könne und dass Graf im Vorstand der Stiftung sitzt. Das Vermögen soll unter anderem genützt worden sein, um den Anteil an einem Haus zu kaufen, in dem das Gasthaus der Familie Graf eingemietet ist. Der Dritte Nationalratspräsident selbst betont, korrekt gehandelt zu haben.

Oft diskutiert, nie etwas passiert

Es ist nicht das erste Mal, dass Graf, der seit 2008 Dritter Nationalratspräsident ist, eine Debatte über die Abwahl der Parlamentspräsidenten auslöst. 2008 wurde bekannt, dass Mitarbeiter von Graf Waren bei einem neonazistischen Online-Versand bestellt haben. 2009 erklärte Graf, dass sich „viele Bürger schon fragen“, ob der damalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, nicht als „Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus bezeichnet werden muss“.

2010 gab Graf den Vorsitz in einer Nationalratssitzung extra ab, um an dem umstrittenen Ball des Wiener Korporationsrings teilzunehmen. Auch Grafs Forderung nach einer Abstimmung über die Angliederung Südtirols an Österreich sorgte für Aufregung. Zu einer Gesetzesänderung, die Grafs Abwahl ermöglichen würde, kam es aber nie. Die ÖVP war bisher dagegen, dass Parlamentarier einen einmal gewählten Nationalratspräsidenten wieder absetzen können.

Abwahl wäre rasch umsetzbar

Wenn man will, könnte man Graf jedenfalls schnell absetzen: Gleich nach der Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrats wäre es möglich, den Abwahlantrag zu stellen, erklärt der Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer der „Presse“. In der Sache plädiert er dafür, die Möglichkeit der Abwahl mit breiter Mehrheit (zwei Drittel oder drei Viertel der Abgeordneten) zu ermöglichen. Sachliche Gründe, die dagegen sprechen, gebe es nicht.

Und warum hat man nicht bereits in der ursprünglichen Version der Geschäftsordnung eine Abwahloption vorgesehen? „Das dürfte man einfach vergessen haben“, so Mayer. Neben den Nationalratspräsidenten sind nur noch die Volksanwälte unabsetzbar.

Diskutiert wurde die Abwahl von Nationalratspräsidenten schon 1993. Damals ging es um Heide Schmidt: Sie gründete das Liberale Forum, behielt aber trotzdem das ihr von der FPÖ verschaffte Amt als Dritte Nationalratspräsidentin.

Auf einen Blick

Nationalratspräsidenten können, wenn sie einmal für eine Legislaturperiode gewählt sind, nicht mehr vom Parlament abgesetzt werden. So will es die Geschäftsordnung. Nun aber herrscht zumindest unter SPÖ, ÖVP und Grünen Einigkeit, dass eine Abwahlmöglichkeit geschaffen werden soll. Die ÖVP ist dieser Variante bisher skeptisch gegenübergestanden, Vizekanzler Michael Spindelegger betont nun aber, dass es Abwahlmöglichkeiten geben müsse. Auslöser der aktuellen Debatte ist einmal mehr der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2012)

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