Spanien kann seine Banken nicht allein retten. Die EU-Kommission will, dass der ESM einspringt. Ein Rettungspaket für Spanien könnte 350 Mrd. Euro kosten. EZB lehnt Spaniens Plan ab.
Wien/Madrid. Diplomatischer kann man es kaum formulieren: „Spanien steht weiterhin vor bedeutenden politischen Herausforderungen infolge des Platzens der Immobilien- und Kreditblase“, so die EU-Kommission in einem Bericht zur Finanzlage der europäischen Staaten. Währungskommissar Olli Rehn hat am Mittwoch auch vorgeschlagen, Spanien bis 2014 Zeit zu geben, um sein Defizit unter Kontrolle zu bekommen. Wie das funktionieren soll, ließ er offen. Dass die EU offenbar selbst nicht mehr daran glaubt, dass sich Spanien allein aus der Schuldenkrise ziehen kann, zeigt ein weiterer Vorschlag der EU-Kommission: Der „permanente Rettungsschirm“ ESM soll die Rekapitalisierung der europäischen Banken übernehmen. So will die Kommission der Währungsunion eine „Bankenunion“ beiseitestellen und die Renationalisierung des europäischen Bankensektors stoppen.
EZB lehnt Spaniens Plan ab
Diese findet nicht zuletzt deswegen statt, weil Staaten Pleitebanken retten und dann selbst in eine Zahlungskrise schlittern. Spanien ist dafür ein Paradebeispiel. Den eher exotischen Plan der Regierung in Madrid, den Bankensektor mithilfe neuer Staatsanleihen zu retten, die diese Banken dann bei der EZB als „Sicherheiten“ für frisches Geld hinterlegen sollen, wies die EZB am Mittwoch zurück. Es sei eine „echte Geldspritze“ für den spanischen Bankensektor notwendig, so die EZB. Übersetzung: Bilanztricks helfen jetzt nicht mehr. Die Bankia hat bereits 4,5 Mrd. Euro erhalten und benötigt noch mindestens 19 Mrd. Dazu kommen andere Problembanken, die laut spanischen Medien zusätzliche 30 Mrd. Euro brauchen könnten. Manche Experten beziffern den Kapitalbedarf der spanischen Banken sogar mit 100 bis 150 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Der Bankenhilfsfonds der spanischen Regierung hat derzeit gerade mal 5,3 Mrd. Euro zur Verfügung.
Selbst die „Minimalvariante“ Bankia-Rettung würde sowohl das spanische Defizit als auch die Schuldenquote weiter explodieren lassen. In Madrid gilt aktuell trotzdem noch die Sprachregelung, wonach Spanien diese Krise allein bewältigen könne und man keine Hilfen aus dem EU-Rettungsschirm benötigen werde. Dies soll die Märkte beruhigen, was allerdings kaum gelingt. Die Kreditausfallversicherungen (CDS) auf spanische Staatsanleihen waren am Mittwoch so teuer wie noch nie. Auch der Euro wurde am Mittwoch weiter abverkauft: Die Gemeinschaftswährung fiel auf 1,2437 Dollar – den niedrigsten Stand seit Anfang Juli 2010. Anleger flüchteten in deutsche Anleihen – die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe rutschte auf ein neues Rekordtief von 1,305 Prozent. „Die Unterschiede bei den Anleiherenditen sind ziemlich krass. Das kann eine Währungsunion auf Dauer nicht aushalten“, sagte ein Händler.
Märkte zweifeln auch an Italien
Die europäische Schuldenkrise bekam auch Italien am Mittwoch zu spüren, als das ebenfalls hoch verschuldete Land für Anleihen deutlich höhere Renditen als zuletzt zahlen musste. Bei der Auktion fünfjähriger und zehnjähriger Bonds stiegen die Renditen auf den höchsten Stand seit Dezember beziehungsweise seit Jänner. Insgesamt nahm Italien 5,73 Mrd. Euro ein. Avisiert war eine Spanne zwischen 4,5 und 6,25 Mrd. Euro. Die Durchschnittsrendite für die fünfjährigen Anleihen lag bei 5,66 Prozent, bei der jüngsten Auktion Ende April mussten 4,86 Prozent gezahlt werden. Der Zins für zehnjährige Bonds stieg auf 6,03 Prozent, nach 5,84 Prozent Ende April.
Und es sind keineswegs nur die Probleme des Bankensektors, die Spanien zu einem Katalysator der Krise machen. Die Arbeitslosigkeit bleibt rekordverdächtig hoch und einige Regionen drohen unter den eigenen Schulden zu kollabieren – und könnten ebenfalls Geld aus Madrid benötigen. Kurz: Ohne EU-Hilfen dürfte Spanien auf einen Staatsbankrott zusteuern. „Die Situation sieht immer mehr wie eine Solvenzkrise aus – die Regierung ist nicht zahlungskräftig genug, um insolvente Banken zu retten“, schreibt die US-Bank JP Morgan in einem Kommentar. Nachdem die EZB weder direkt noch indirekt mit frischem Geld helfen will, müsse man sich überlegen, wie groß ein Hilfspaket für Spanien sein müsse, so JP Morgan: „Ein EU-Paket, das die Ausgaben der spanischen Regierung bis Ende 2014 abdeckt und 75 Mrd. Euro für Bankenrettungen bereitstellt, müsste rund 350 Mrd. Euro groß sein.“
Auf einen Blick
Die spanische Bankenkrise wird immer dramatischer. Die EZB lehnte den letzten Rettungsplan der Regierung in Madrid ab und während diese noch betont, keine EU-Hilfen zu benötigen, regt die EU-Kommission schon den Einsatz des ESM zur Bankenrettung an. Ein Paket für Spanien könnte bis zu 350 Mrd. Euro groß sein. Der Euro wurde am Mittwoch weiter abverkauft, die deutschen Bunds sind als sicherer Hafen so gefragt wie nie.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2012)