Die grüne Vizebürgermeisterin Lisa Rücker will weiter mit der ÖVP zusammenarbeiten.
Die Presse: Wie groß war die Überraschung über das Koalitionsende?
Lisa Rücker: Es hat mich schon überrascht. Dass es eine Krise innerhalb der ÖVP gibt, war mir aber schon länger bewusst.
Gekriselt hat es auch in der Koalition ...
Es war eine sehr spannungsgeladene Koalition, aber auch eine sehr konstruktive. Es gab von der ÖVP den mutigen Entschluss, ein ökologisch ausgerichtetes Koalitionsprogramm zu unterschreiben, aber Bürgermeister Nagl ist unsere konsequente Politik zu steil geworden.
Ist der Kündigungsgrund von Nagl, das Nein zur Bürgerbefragung über die Reininghausgründe, nachvollziehbar?
Das ist ein vorgeschobenes Argument. Wir sind nach wie vor für das Projekt. Wir wollten eine gut vorbereitete Bürgerbefragung und sie daher in den Herbst verschieben. Die ÖVP wollte es schnell durchziehen.
Vor zwei Wochen haben Sie den Fahrplan zur Bürgerbefragung aber noch mitgetragen.
Stimmt. Aber nachdem klar wurde, dass es der ÖVP nur um ein schnelles Durchboxen ging, mussten wir sagen: Tut uns leid.
Wo kommt der Zeitdruck her?
Vielleicht gibt es im Hintergrund schon Vereinbarungen, die wir nicht kennen. Erklärung habe ich jedenfalls keine bekommen.
Sind die Grünen nicht regierungsfähig?
So viel wie in den letzten Jahren ist in Graz lange nicht weitergegangen. Aber wir haben ein Problem mit gehudelten Entscheidungen.
Sind nicht Sie in ihrer Entscheidungsfindung oft zu langsam?
Am Anfang sicher. Aber mir ist wichtig, Dinge lieber einmal mehr zu hinterfragen.
Ist das Ende der Koalition ein persönlicher Misserfolg?
Ich sehe es als Ausstieg des Bürgermeisters aus wahltaktischen Gründen. Wir haben die Koalition nicht mutwillig aufs Spiel gesetzt.
Ist die Regierung noch handlungsfähig?
Ja. Mehrheiten suchen wird sicher mühsamer. Aber wenn man sich sachlich findet, wieso soll man nicht zusammenarbeiten?
Auch mit der ÖVP?
Natürlich. Wieso sollen wir jetzt im Schmollwinkel stehen?
Zur Person
Lisa Rücker ist seit 2008 Vizebürgermeisterin von Graz und Stadträtin für Verkehrsplanung, Mobilität und Umwelt. Die 47-Jährige lebt in einer Partnerschaft mit einer Frau und ist Mutter zweier Töchter. [AP]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2012)