Rot-Weiß-Rot-Card: Ausbau mit Verzug

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Symbolbild(c) Erwin Wodicka
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Die Liste der Mangelberufe wurde verspätet erstellt. Auch bei der Werbung für die Zuwanderung qualifizierter Ausländer aus Nicht-EU-Ländern nach Österreich sind Regierung und Sozialpartner im Hintertreffen.

Wien/Ett. Die rot-schwarze Regierung mag sich bei Personalentscheidungen im Ministerrat blockieren – das eingespielte Duo Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) funktioniert. Zumindest mit Zeitverzögerung. Denn mit einmonatiger Verspätung haben die beiden Ressortchefs jetzt die neue Fachkräfteverordnung bis 13.Juni in Begutachtung geschickt. Darin sind 25 Mangelberufe (siehe „Auf einen Blick“) vom Elektroinstallateur bis zum Fliesenleger angeführt, in denen heuer noch Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern nach Österreich zuwandern dürfen.

Mit der Verordnung über die Mangelberufe wird – mit einigen Wochen Verzug – ein Teilbereich der sogenannten Rot-Weiß-Rot-Card umgesetzt. Diese Karte ist eines der Vorhaben, die die rot-schwarze Regierung als Erfolg auf der Habenseite verbuchen kann: Seit Juli des Vorjahres sucht Österreich Zuwanderer aus dem Ausland nach einem Punktekatalog aus und stellt ihnen sogenannte Rot-Weiß-Rot-Cards aus. Gedämpft wird diese Freude darüber allerdings durch den Umstand, dass in der Zwischenzeit erst gut 1300 qualifizierte Zuwanderer den Weg nach Österreich fanden.

Es wäre nicht Österreich, wären Einführung und Umsetzung des neuen Zuwanderermodells nicht von Pannen, Versäumnissen und Verzögerungen begleitet. Während die Industrie beständig über einen Mangel an Fachkräften Klage führt, ließen sich ausgerechnet die Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, also die Sozialpartner, über Gebühr bei den Vorarbeiten für die neue Liste an Mangelberufen Zeit. Diese sollte bereits seit 1.Mai dieses Jahres in Kraft sein.

Minister erwartet 500 Zuwanderer

Diese Liste ist freilich nicht mehr ganz so wichtig wie früher. Denn Österreichs Arbeitsmarkt wurde im Mai des Vorjahres für die 2004 der EU beigetretenen Mitgliedstaaten im Osten geöffnet, somit besteht für Arbeitskräfte aus diesen Ländern Freizügigkeit. Minister Hundstorfer begründete jetzt damit auch die einmonatige Wartepause: Man habe sehen wollen, ob der Facharbeitermangel dadurch automatisch gelöst werde. Nun rechnet er mit rund 500 Fachkräften, die über die Liste für Mangelberufe nach Österreich zuziehen werden. Für Mitterlehner hilft die Verordnung, den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern.

Eishockeyspieler statt Topleuten

Die Sozialpartner waren ursprünglich Motoren für die Einführung einer geregelten Zuwanderung für qualifizierte Ausländer. Sie haben bei ihrer traditionellen Tagung in Bad Ischl im Oktober 2010 praktisch die Grundlagen für die Kriterien gelegt. Die SPÖ/ÖVP-Regierung hat diese daraufhin im Kern übernommen.

Mit der Praxis herrscht allerdings besonders auf Wirtschaftsseite nicht volle Zufriedenheit, weil keineswegs nur wissenschaftliche Spitzenkräfte und Topleute der Wirtschaft kommen. Schließlich gingen von mehr als 1000 erteilten Genehmigungen immerhin fast 200 an Spitzensportler, etwa an – im internationalen Vergleich recht durchschnittliche – kanadische Eishockeyspieler.

Das zweite Hauptmanko wurde nach einer Tagung der Sozialpartnerorganisation zu Beginn der Vorwoche in der Wirtschaftskammer von Wirtschaftsminister Mitterlehner offen angesprochen. Für die Rot-Weiß-Rot-Card wird im Ausland viel zu wenig Werbung gemacht. Dieses Versäumnis ist bereits seit der Einführung im Juli 2011 bekannt.

Österreich ist spät dran

Schon davor haben Experten betont, Österreich müsse verstärkt werben, um tatsächliche Spitzenkräfte zu holen, weil das Land im internationalen Vergleich damit spät dran ist. Abgesehen von lautem Wehklagen über die nicht ausreichende Bewerbung des Modells ist seither aber wenig passiert.

Auf einen Blick

25 Mangelberufe. Fräser, Dreher, Dachdecker, Maschinenbautechniker, Schweißer, Bautischler, Feuerungstechniker, Bauspengler, Elektroinstallateur, Landmaschinenbauer, Dipl. Ing. für Maschinenbau, Zimmerer, sonstige Schlosser, sonstige Spengler, sonstige Techniker, Starkstromtechniker, Rohrinstallateur, Bau- und Möbeltischler, Bodenleger, Fliesenleger, Datenverarbeitungstechniker, Holzmaschinenarbeiter, sonstige Techniker (höhere Ausbildung), Werkzeugmacher, sonstige Diplomingenieure.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2012)

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