Rumänien: Das Haus des Prinzen im Dorf der Socken

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Bram Stokers Dracula-Land lockt heute weniger mit Vampiren als mit viel Natur und bukolischem Charme. So kaufte sich auch Prinz Charles ein Haus im „Land jenseits der Wälder“. von Peter Kosfeld

Viscri/Sibiu. Einmal im Jahr erhält Sara Dootz aus dem rumänischen Viscri einen Anruf aus Großbritannien. Dann ist Charles am Apparat und gratuliert ihr zum Geburtstag. Die Bäuerin und der britische Thronfolger sind am gleichen Tag geboren, am 14. November. Der Prinz of Wales ist allerdings deutlich jünger als die Bäuerin aus Transsilvanien. „Charles und ich unterhalten uns auf Deutsch“, sagt die 75-Jährige, die den berühmten Freund als „sehr bescheidenen“ Mann schildert, der den einfachen Leuten in Rumänien mit Respekt und ohne Adelsallüren gegenübertrete.

Zuletzt trafen die beiden einander im Mai des Vorjahres, als Charles in Viscri (Deutsch-Weißkirch) die erste Pflanzenkläranlage Rumäniens einweihte. Prinz Charles ist Schirmherr des Mihai-Eminescu-Trusts (MET), dessen Direktorin inzwischen Caroline Fernolend ist – Saras Tochter. Die Stiftung kümmert sich in Siebenbürgen, wie Transsilvanien im Deutschen heißt, um den Erhalt historisch bedeutsamer Ortschaften. Viscri ist so ein Dorf.

Einst von Siebenbürger Sachsen gegründet, fristet Viscri heute abseits der großen Straßen in der touristisch ohnehin schwach frequentierten Mitte Rumäniens ein abgeschiedenes Dasein.

Kirchenburg mit Schutzmauern

Sara wuchs in Viscri auf, zog nicht wie Tausende ihrer Landsleute weg und ist heute „Burgherrin“. Die sogenannte Kirchenburg aus dem 12. Jahrhundert, eine durch mächtige Mauern geschützte Wehrkirche, ist der Blickfang des Dorfes. Den Besuchern, die über eine schmale Holperstraße den Weg in das von der Unesco geschützte Dorf finden, erklärt sie die Ursprünge der Siedlung und zeigt mit Stolz den Kirchenbau, der das Zentrum des Dorfes markiert. Wer nach Viscri fährt, unternimmt – wie in einigen anderen Orten Rumäniens auch – eine Zeitreise. Umgeben von wilden Wiesen und malerischen Hügeln hat sich das Dorf über die Jahrhunderte hinweg seinen eigenen Charme bewahrt. Viele der von deutschen Auswanderern gegründeten Höfe sind noch intakt und wurden aufwendig restauriert. In einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld hat sich Viscri einen Namen als „Sockendorf“ gemacht. Die rund 500 Einwohner haben sich auf Wollprodukte spezialisiert und erzeugen Socken, Hausschuhe, traditionelle Hirtenhüte oder Pullover. In einem kleinen Dorfladen mit angeschlossenem Café werden die handgefertigten Wollsachen zu Fair-Trade-Preisen angeboten.

Transsilvanien, übersetzt „Land jenseits der Wälder“, ist wie der Boden eines riesigen Kraters, von den mächtigen Hochgebirgszügen der Karpaten umschlossen. Die schneebedeckten, bis zu 2500 Meter hohen Gipfel glänzen in der Sonne und bieten bei klarer Sicht ein faszinierendes Panorama. Das satte Grün der Felder und Wiesen, die Blumen in allen Farben, die dem Hochgebirge vorgelagerten, überwiegend mit kräftigen Laubbäumen bewaldeten Hügel, Schafherden, Kühe, Ziegen, Pferde, Störche und Greifvögel geben der Landschaft einen Reiz, der schon manchen Besucher dazu verleitet hat, dorthin zurückzukommen oder gleich ganz dazubleiben.

Der Prinz kam inkognito

So war es auch bei Prinz Charles. In ihren Lebenserinnerungen („Mit der Sonne steh ich auf“) berichtet Sara Dootz, dass Charles 2002 erstmals nach Deutsch-Weißkirch kam. Der private Besuch musste aus Sicherheitsgründen geheim gehalten werden. Charles kam mit einem Geländewagen und kleinem Gefolge – darunter zwei Leibwächtern und einem Arzt – die schlaglöchrige Straße heraufgefahren und wollte eigentlich nur eine knappe Stunde bleiben. Er spazierte durch das Dorf, war in seiner schlichten Kleidung weitgehend inkognito und fühlte sich offensichtlich so wohl, dass er vier Stunden blieb. Sara setzte dem britischen Thronfolger, der sich mit alternativer Landwirtschaft hervorgetan hat, eine Hühnersuppe und Hausbrot vor.

Dies war der Beginn einer besonderen Beziehung, wie Sara es in ihren Memoiren schildert. Später kaufte Charles ein Haus im Ort und kommt seither immer wieder. Sara fühlt sich dem Prinzen eng verbunden. Wenn Charles zu Besuch ist, geht er gern spazieren: an Haselnusssträuchern entlang, über Felder und Wiesen. Und wer sich auf den Weg macht in die Umgebung, wird ihn vielleicht treffen, irgendwo zwischen Deutsch-Weißkirch und Meschendorf (Mesendorf), wo er gern mit seinem langen Wanderstock in der Hand entlangläuft. Sara berichtet, der weit gereiste Prinz habe ihr einmal, als er an einem nebligen Morgen von der Kirchenburg über die Hügel schaute, bekannt, so etwas Schönes habe er selten gesehen.

Auch Robert kommt seit vielen Jahren nach Rumänien. Der Musiker und Dirigent hat sich in das Land und seine Leute verliebt, mit jungen Roma gearbeitet und Rumänisch gelernt. Mit seinem rostbraunen Ford-Oldtimer-Campingbus fährt der abenteuerlustige Pensionist aus Deutschland quer durchs Land, möglichst abseits der großen Routen, auf der Suche nach Gesprächen und neuen Aufgaben.

Rumänien hat beträchtliche Probleme. Seit Jahren zieht es Landsleute mangels wirtschaftlicher Perspektive in die Ferne, rund zwei Millionen sollen schon ins Ausland gezogen sein. Industrie ist rar und der Tourismus noch unterentwickelt, was auch an dem ungerechtfertigt schlechten Ruf des Landes liegt. Zwar hat Bram Stoker mit dem Roman „Dracula“ 1897 dem Landstrich zu Berühmtheit verholfen, aber auch einen nicht umzubringenden Imageschaden hinterlassen, wie Bewohner der Gegend anmerken. Lästige Blutsauger in Transsilvanien sind einzig Mücken und Zecken.

Siebenbürgen individuell und pauschal

Anreise per Flugzeug nach Bukarest (mit Air Berlin/Flyniki ab Wien direkt ab 170€) oder Sibiu (Hermannstadt, von Wien mit Lufthansa über München ca. 400 €); kein Visum nötig, Rumänien ist EU-Mitglied. Weiter mit dem Mietwagen, der am besten in Österreich reserviert wird. Wichtig: Reifen und Ersatzreifen prüfen sowie das Licht! Viele kleine Straßen sind schlecht, Reifenschäden nicht auszuschließen. An zahlreichen Servicestationen können defekte Reifen repariert oder getauscht werden. Nachts fahren ist nicht zu empfehlen, weil Hunde die Fahrbahn kreuzen, Pferdefuhrwerke unbeleuchtet unterwegs und Schlaglöcher kaum zu erkennen sind, Rumänen fahren auch tagsüber mit Licht. Achtung: 0,0 Promille! Wer im Privatwagen einreist, muss eine Straßenbenutzungsgebühr bezahlen.

Pauschalreisen: u . a. mit Akademischer Reisedienst, ARR Natur- und Kulturreisen, Columbus Reisen, Kneissl Touristik, ÖBB Rail Tours , Ruefa, TUI.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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