Hehres Ziel, falsche Mittel

Nahost-Experte Michael Lüdersverrennt sich im Atomstreit. Michael Lüders hat ein ehrenwertes Anliegen: Der Nahost-Fachmann, der für die „Zeit“ jahrelang die Region bereiste, möchte einen Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu einem Krieg des sogenannten Westens gegen den Iran kommt.

Michael Lüders hat ein ehrenwertes Anliegen: Der Nahost-Fachmann, der für die „Zeit“ jahrelang die Region bereiste, möchte einen Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu einem Krieg des sogenannten Westens gegen den Iran kommt. Einen Krieg verhindern – wer würde da nicht spontan zustimmen?

Genau deswegen ist Lüders' neuesBuch ein besonderes Ärgernis, denn der Autor verfolgt sein hehres Ziel mit völlig untauglichen, ja geradezu kontraproduktiven Mitteln. Hätte Lüders die Absicht gehabt, das Lager der Kriegsgegner des Iran nach Kräften zu diskreditieren, er hätte es nicht besser machen können.

Schon im Vorwort präsentiert der Autor falsche Prämissen: Die meisten Politiker in Deutschland würden einem Iran-Krieg das Wort reden, ihn als unabänderlich betrachten oder sich mit dem Thema erst gar nicht auseinandersetzen. Punkt drei mag ja noch zutreffen, aber Punkt eins ist, man kann es nicht anders sagen, schlicht Unsinn. Deutlicher als Deutschlands Außenminister Westerwelle, der immer und immer wieder eine feine „diplomatische Lösung“ einfordert, kann man sich kaum gegen einen Krieg positionieren. Und es gibt keine Partei im Bundestag, die nicht zu 100 Prozent auf dieser Linie wäre.

Kein iranischer Frühling in Sicht

Einen Absatz weiter wird man belehrt, die Kriegstreiber behaupteten, das iranische Atomprogramm werde „unter der Wucht der Luftangriffe“ zerstört und es werde „das verhasste Regime in sich zusammenbrechen“. Das glaubt – und sagt –nicht einmal der strammste Neokonservative in den USA, der nach dem US-Einmarsch im Irak naiv von einem Demokratie-Domino träumte. Die Militärs in Jerusalem und Washington schon gar nicht. Die wissen zwei Dinge genau: Erstens kann das iranische Atomprogramm durch Luftangriffe zwar beeinträchtigt, aber nicht zerstört werden; zweitens würde jeder derartige Angriff zu einem nationalen Schulterschluss führen und damit gerade nicht zu einem „iranischen Frühling“.

Ein letztes Beispiel: Die republikanischen Möchtegern-Herausforderer von Präsident Obama seien samt und sonders für einen Militärschlag gegen den Iran, behauptet Lüders. Wieder falsch. Ron Paul war expressis verbis dagegen.

In diesem Stil geht es weiter: Lüders arbeitet mit problematischen Vergleichen, unzulässigen Vereinfachungen (so bezeichnet er Israels Regierung als „ultranationalistisch“) und unredlichen Zuspitzungen. Denn er hat zwei Thesen, die um jeden Preis untermauert werden müssen. Nummer eins: Wechselnde US-Regierungen beider Couleur arbeiten seit Bill Clinton in den 1990er-Jahren daran, am Gängelband der Israel-Lobby (ein Lieblingswort des Autors) und unterstützt von einer hirnlosen, unkritischen „Journaille“ auf die finale Konfrontation mit dem Iran hin. These zwei: Dass es keine Verständigung mit dem Iran gibt, ist die Schuld des Westens.

Immer wieder legt Lüders den Finger auf real existierende Wunden. Das wäre verdienstvoll. Doch wenn man den „Kriegstreibern“ Manipulation vorwirft, ist es weder hilfreich noch elegant, selbst manipulativ zu arbeiten. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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