So sieht man die Venus erst in 115 Jahren wieder

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Am 6. Juni zieht der Planet vor der Sonne durch. Auf diese seltenen Momente wurde früher mit Spannung gewartet, weil man mit ihrer Hilfe die Entfernung der Erde von der Sonne bestimmen kann.

Dieser Tag erwies sich als so günstig für unser Vorhaben, wie wir es nur wünschen konnten, keine Wolke war zu sehen, und die Luft war völlig klar. Beim Beobachten der ganzen Passage des Planeten über die Sonne sahen wir eine Atmosphäre oder einen dämmrigen Schatten rund um den Körper des Planeten.“ Das notierte James Cook am 3.Juni 1769 im „Fort Venus“ auf Tahiti, er war am 12.August des Vorjahres eigens für diesen Moment von Plymouth losgesegelt, gesponsert von der Royal Academy. Acht Monate dauerte die Fahrt – gegen Skorbut half „Sour krout“ (Cook) –, dann war noch Zeit für den Aufbau einer Beobachtungsstation. Und dann kam der Moment, die Venus zog vor der Sonne vorbei, Cook und sein Schiffsastronom Charles Green sahen gut hin – mit geschützten Augen, das sollten auch Sie keinesfalls vergessen! –, und erdweit hielten Kundige das Geschehen im Blick, es war die erste internationale Forschungs-Zusammenarbeit in großem Stil.

Erst Kepler öffnete die Augen

Es ging auch um viel: Geklärt werden sollte, wie weit die Erde von der Sonne entfernt ist, und damit auch, wie weit die Planeten auseinander sind. Die relativen Abstände kannte man, Kepler hatte das Rechenrezept geliefert, aber die absoluten? Wie sollte man zu ihnen kommen? Der Durchzug der Venus vor der Sonne („transit“) war der ideale Kandidat. Dass es ihn überhaupt gibt, war allerdings selbst den himmelsbewandertsten Kulturen über Jahrtausende nicht aufgefallen: Die Maya etwa kannten die Konstellationen der Venus genau, sie sind in einem ihrer Codices überliefert, aber von einem „Transit“ steht dort nichts, auch nicht bei Babyloniern und anderen Sternenkundigen. Das mag daran liegen, dass das Phänomen selten ist: Zwar tritt es bisweilen gleich zweimal in acht Jahren, aber dann erst wieder nach 115 bzw. 121 Jahren auf. Und dann wieder nach acht. Deshalb machte erst die Himmelsmechanik die Beobachter aufmerksam: Kepler sagte 1627 einen Venustransit für 1631 vorher.

Er kam nicht, Kepler hatte sich verrechnet, der Brite Jeremiah Horrocks wiederholte es präziser und hielt am 4.12. 1639 in seinem Wohnort Preston die Augen offen. Sein Freund William Crabtree tat das Gleiche in der Gegend von Manchester, beide projizierten die Sonne durch ein Fernrohr auf eine Zimmerwand. Der Himmel riss rechtzeitig auf, und über die Sonne an der Wand wanderte der Schatten. Horrocks kalkulierte daraus die Größe der Venus – ziemlich exakt – und die Entfernung der Erde zur Sonne, was weniger gut gelang (95 Millionen Kilometer wurden errechnet, 149,6 sind es).

Das konnte auch gar nicht anders sein: Zum Bestimmen der Entfernung eines Punktes braucht man Beobachtungen von zumindest zwei anderen Punkten aus, deren Lage man exakt kennt: Dann kann man triangulieren. Deshalb schwärmten bei der nächsten Gelegenheit, 1761, schon viele aus, und bei der übernächsten, 1769, noch mehr. Aber die Venus trübte die Blicke – der Dämmer ihrer Atmosphäre verhinderte ein präzises Bestimmen des Anfangs und Endes des Transits –, und die Augen spielen sich obendrein selbst einen Streich mit dem „black drop effect“: Wenn sich zwei Gegenstände einander nähern, verschwimmen ihre Konturen miteinander, bevor sie sich wirklich berühren. (Man kann es ausprobieren, indem man Daumen und Mittelfinger an den Kuppen aufeinander zu bewegt.) Deshalb kamen selbst Cook und Green auf höchst unterschiedliche Durchgangszeiten, sie lagen 42 Sekunden auseinander.

Nachbar hilft Planetenjägern

Anderen Beobachtern erging es nicht besser, trotzdem konnte der Franzose Jérôme Lalande aus den Daten die Entfernung der Erde zur Sonne präziser bestimmen, er kam auf 153 Millionen Kilometer; bei den nächsten Gelegenheiten, 1874 und 1882, halfen Fotokameras. Bei der wieder nächsten, 2004, ging es längst nicht mehr um diesen Abstand. Sondern um ein neues Abenteuer: Exoplaneten, Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Man kann sie nur indirekt sichten, etwa wenn ein Stern sich trübt, weil zwischen ihm und dem Beobachter ein Planet vorbeizieht. Diese Helligkeitsunterschiede sind minimal, die Venus dämpft das Sonnenlicht um etwa ein Tausendstel, man konnte aus der Beobachtung ihres Transits 2004 viel für die von Exoplaneten lernen.

Das will man nun wieder, aber auch jeder Laie ist eingeladen, das zu genießen, was ihm in seinem Leben nicht mehr vor die Augen kommen wird, und seinen heutigen Kindern auch nicht: Am 6.Juni findet der Transit statt, er ist vor allem vom Pazifischen Raum aus gut sichtbar, aber zumindest die zweite Hälfte zeigt sich auch von Wien aus, sofern der Himmel es will: Die Sonne geht um 04:55:50 auf, dann hat die Venus schon mehr als den halben Transit hinter sich, aber für den Rest braucht sie noch knapp zwei Stunden, um 06:49:27 ist alles vorbei. Aber es wird festgehalten, wieder im internationalen Verbund, einem unserer Zeit gemäßen: Bei den „Astronomers without Borders“ kann man ein App downloaden und auf die Taste drücken, sobald man den Beginn des Transits sichtet.

Die Venus

Als Morgen- und Abendstern ist sie, nach dem Mond das hellste Objekt am nächtlichen Himmel, den Menschen seit Langem bekannt. Babylonier, Griechen und Germanen assoziierten sie mit der Göttin der Liebe; bei den Maya war sie für Krieg zuständig.

Der Erde kommt sie von den Planeten am nächsten, ist auch ähnlich groß, hat aber keinen Mond. Ihre Atmosphäre besteht hauptsächlich aus CO2 und ist von außen ganz undurchsichtig. Der starke Treibhauseffekt bringt eine mittlere Temperatur von 464 °C.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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Innerhalb von 130 Jahren wandert die Venus nur zwei Mal an der Sonne vorbei. 2004 fand zuletzt ein solcher Planetendurchgang statt. Der Transit beginnt bereits in den frühen Morgenstunden des 6. Juni.

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