Die insolvente Drogeriekette wird endgültig zerschlagen, 13.200 Mitarbeiter gekündigt. Findet die Österreich-Tochter nicht rasch einen Investor, folgt auch für sie das Aus.
Berlin/Gau. „For You. Vor Ort. Vorbei“: Auf ihren Plakaten ließen protestierende Mitarbeiter dem Werbeslogan ihrer Firma zuletzt schon mit bitterer Ironie ein prophetisches Wort folgen – freilich noch mit einem Fragezeichen, das ein Fünkchen Hoffnung signalisierte. Doch nun ist es traurige Gewissheit: Mit Schlecker ist Schluss.
Seit Jänner ist sie insolvent, die einst größte Drogeriemarktkette Europas. Am gestrigen Freitag besiegelte der Gläubigerausschuss das Ende und beschloss die Zerschlagung. Der Ausverkauf der einzelnen Vermögensteile wird nach Überzeugung des Insolvenzverwalters Arndt Geiwitz mehr Geld einbringen als eine Veräußerung des Konzerns an einen der beiden verbliebenen Interessenten. Mehrere Mitbieter waren schon ausgestiegen, zuletzt nur noch zwei im Rennen: der Karstadt-Retter Nicolaus Berggruen sowie der US-Finanzinvestor und Bawag-Käufer Cerberus. Weil ihre Angebote für „schlichtweg nicht akzeptabel“ galten, wurde ihnen am vergangenen Freitag eine letzte Galgenfrist von einer Woche zur Nachbesserung zugestanden – umsonst. In den nächsten Wochen erhalten die 13.200 verbliebenen Mitarbeiter in Deutschland ihr Kündigungsschreiben. Und in den noch geöffneten 3200 Filialen beginnt der Schlussverkauf: Geschäftsauflösung, alles muss raus.
An den Mann kommen sollen auch die verbliebenen Auslandstöchter. Für den Österreich-Ableger mit seinen 930 Läden und 3000Mitarbeitern wird dringend ein Käufer gesucht. Trotz gegenteiliger Beteuerungen dürfte ein abgenabeltes Filialnetz kaum lebensfähig sein – zu eng war es an die Zentrale im schwäbischen Ehingen gebunden, mit der Warenanlieferung, der EDV und der Lagerverwaltung.
Noch kein Käufer in Sicht
Die heimischen Konkurrenten Bipa und dm signalisieren wenig Interesse. Immerhin: Bei einer Filetierung könnte sich ein Handelsunternehmen die besten Lagen schnappen. Experte Peter Schnedlitz von der WU Wien hält die Hälfte der Adressen für „durchaus akzeptabel“. Keine Lösung dürfte ohne Kündigungen auskommen. Doch für Österreich wie für Deutschland gilt: Da die Lage auf dem Arbeitsmarkt gut ist, und die Schlecker-Angestellten über das ganze Land verteilt leben, dürfte es den meisten von ihnen nicht allzu schwerfallen, einen neuen Job zu finden.
Woran scheiterte der Verkauf von Schlecker Deutschland? Als größtes Hindernis erwies sich der Geschäftsverlauf: Obwohl schon im März 10.000Mitarbeiterinnen gekündigt und 2200 unrentable Filialen geschlossen wurden, verbrannte die Kette bis zum Schluss das Geld ihrer Gläubiger – jeden Tag um die 100.000Euro. Geiwitz forderte eine befristete Senkung der Personalkosten um 15Prozent, die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wollte sich auf nicht mehr als 10,5Prozent einlassen.
Gewerkschaft kritisiert FDP
Der Warenbestand war längst verpfändet, an den Kreditversicherer Euler Hermes als größten Gläubiger. 300Mio. Euro ist er wert, aber Berggruen wollte laut „Manager Magazin“ nur 100Mio. dafür zahlen. Die Gespräche scheiterten laut Geiwitz aber auch daran, dass kein Interessent eine überzeugende Idee hatte, wie Schlecker fortgeführt werden könnte. Ein weiteres Hindernis waren die über 4000Kündigungsklagen – für einen Investor ein zusätzliches finanzielles Risiko von bis zu 100Mio. Euro. Hier beginnt das politische Nachspiel des Schlecker-Untergangs: Die Klagen hätte es nicht gegeben, wäre im März eine Transfergesellschaft mit dem Steuerzahler als Bürgen gegründet worden. Dagegen legten sich liberale Landespolitiker quer.
Für die Gewerkschaft steht damit der Totengräber des einst stolzen Drogeriediskonters fest: Es war nicht der gescheiterte Unternehmer Anton Schlecker, gegen dessen Personalpolitik sie jahrelang gekämpft hatte, es war die FDP. Experte Schnedlitz sieht es anders: „Das ist die Strafe für einen Konzern, der Menschen nicht achtet.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)