ELGA: "Man kann die Ärzte nicht in Ketten abführen"

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MINISTERRAT: ST�GER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (Herbert Pfarrhofer)
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Stögers neuer Entwurf für die Elektronische Gesundheitsakte kommt nicht überall gut an. Die ÖVP kritisiert vor allem die Vorgangsweise des Ministers.

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) unternimmt einen neuen Anlauf für die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA). Fast eineinhalb Jahre nach seinem Begutachtungsentwurf, der praktisch in der Luft zerrissen worden war, und zahlreichen Diskussionen legt Stöger nun einen neuen Gesetzesentwurf vor. Darin würden "die Anmerkungen aller Partner berücksichtigt", erklärte der Minister im Gespräch mit der APA. Der neue Entwurf enthält weitere Verschärfungen beim Datenschutz und längere Übergangsfristen für die Ärzte. Die häufig kritisierte sogenannte Option-Out-Regelung für die Patienten ist aber weiterhin vorgesehen.

Kein Wunder also, dass sowohl bei der Ärztekammer als auch beim Koalitionspartner erneut Kritik geäußert wird. Der zuständige Ärztekammer-Vizepräsident Artur Wechselberger konstatierte weiterhin inhaltliche Differenzen, ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger stößt sich vor allem an der Vorgangsweise des Ministers, die viele "auf die Palme bringt".

Weiterhin "Dissens" mit Ärztekammer

Wechselberger kennt die Inhalte des neuen Stöger-Entwurfs zwar noch nicht, die Ärztekammer hielt aber erst vor einer Woche in einem Schreiben an das Ministerium fest, dass nach der letzten Gesprächsrunde "in wesentlichen Fragen" weiterhin "Dissens" bestehe. Außerdem verlangt der Vizepräsident der Ärztekammer die Vorlage des Volltextes des Evaluierungsberichtes über das Pilotprojekt zur E-Medikation, einer wesentlichen Komponente von ELGA.

Stöger zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass er nun die Zustimmung der bisher strikt ablehnenden Ärztekammer und auch des Koalitionspartners finden werde. Ob sich ein Ministerratsbeschluss noch vor dem Sommer ausgeht, wollte Stöger nicht beurteilen.

Radinger kritisiert Vorgangsweise

Rasinger wollte den neuen Entwurf Stögers inhaltlich nicht beurteilen, kritisierte aber die Vorgangsweise des Gesundheitsministers. Es sei vereinbart gewesen, dass Stöger sich zunächst mit den Ärzten verständigen sollte. Danach sollte es ein Hearing geben, in dem vor allem die verfassungs- und datenschutzrechtlichen Fragen geklärt werden sollten. Erst danach sollte es politische Abschlussverhandlungen geben. An diese Vorgangsweise habe sich Stöger nicht gehalten, kritisierte der ÖVP-Gesundheitssprecher gegenüber der APA.

ELGA müsse von den Ärzten und den Patienten als Hilfe empfunden werden, derzeit würden die Ärzte es eher als Diktat sehen, meinte Rasinger. "Man kann die Ärzte nicht in Ketten abführen", verlangte der ÖVP-Gesundheitssprecher, der selbst Arzt ist, Einvernehmen herzustellen. Erst wenn das und die verfassungs- und datenschutzrechtlichen Dinge sichergestellt seien, werde die ÖVP zustimmen, "sonst nicht", betonte Rasinger.

Daten werden über ELGA zusammengeführt

Mit ELGA sollen künftig Befunde und gesundheitsrelevante Dokumente gespeichert und für Ärzte sowie Patienten selbst abrufbar sein. Die E-Card dient als Schlüssel, wird sie ins Lesegerät gesteckt, erhält der Arzt für vier Wochen Zugriff auf die Befunde der betreffenden Person. Die Daten bleiben dezentral gespeichert und werden über ELGA zusammengeführt.

Trotz heftiger Kritik bleibt Stöger bei der Opting-Out-Regelung: Jeder Patient, der nicht ausdrücklich widerspricht, ist automatisch dabei. Stöger begründet dies mit einer "massiven Verwaltungsvereinfachung". Mit einem "Opting-In" müsste bei jedem Arztbesuch eine Zustimmungserklärung abgegeben werden.

Die Ärzte, Spitäler und Apotheken werden hingegen zur Teilnahme an ELGA verpflichtet. Die Frist, ab der Vertragsärzte ELGA umsetzen müssen, wurde nun von Stöger um eineinhalb Jahre auf 1. Juli 2016 verlängert.

Datenschutz verschärft

Gegenüber seinem Letztentwurf vom November 2011 hat Stöger auch den Datenschutz weiter geschärft. So können Patienten nun zusätzlich ihre Daten auch nachträglich aus ELGA löschen. Das Stecken der E-Card bedeutet nicht automatisch eine ELGA-Identifikation, weil Versichertenstatus und ELGA-Identifikation getrennt abgefragt werden. Für die technische Anbindung müssen mindestens die Sicherheitsanforderungen des E-Card-Netzes erfüllt werden und Gesundheitsdaten dürfen nicht außerhalb der EU gespeichert werden.

Als ELGA-Befunde wurden gesetzlich definiert: Entlassungsbriefe, Labor, bildgebende Diagnostik, E-Medikation, Patientenverfügung und Vorsorgevollmachten. Weitere elektronische Befunde werden nur unter Einbeziehung der Stakeholder aufgenommen. Für die Ärzte wurde die Benutzerfreundlichkeit des Systems durch erweiterte Suchmöglichkeiten nach Befunden verbessert. Und schließlich wurden die strafrechtlichen Bestimmungen von Spitälern auf alle Gesundheitsdiensteanbieter erweitert. Schon vorher war im Vergleich zum Begutachtungsentwurf der Ausschluss von geheimen psychiatrischen Daten und genetischen Analysen von der Speicherung, eine vereinfachten Widerspruchsregelung und eine einheitliche Speicherdauer der Dokumente aufgenommen worden.

(Ag.)

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