Strache: "Fall Graf erinnert mich an Strauss-Kahn"

Heinz-Christian Strache, FP�Foto: Clemens Fabry
Heinz-Christian Strache, FP�Foto: Clemens FabryDie Presse (Clemens Fabry)
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Der FPÖ-Chef über die "komische Optik" in der Stiftungsaffäre um Martin Graf, der den Vorstand verlassen soll – und die Chancen einer freiheitlichen Europapartei. Die Idee eines "Nordeuro" sieht er positiv.

Erklären Sie mir bitte, wie ein Politiker wie Martin Graf auf die Idee kommen kann, das Geld einer alten Frau in eine Stiftung zu überführen und dort als Vorstand die Immobilie zu kaufen, in der sein Bruder ein Lokal betreibt und Mieter ist. Was würden Sie sagen, wenn das ein Politiker einer anderen Partei täte?
Heinz-Christian Strache: Ich habe mich bereits klar und deutlich geäußert und alles zum Thema gesagt, was zu sagen war. Ich habe ein ausführliches Gespräch mit Martin Graf geführt und dabei deutlich festgehalten, dass rasch alle Entscheidungen im Interesse der Begünstigten passieren müssen. Aber es gibt auch völlig falsche Vorwürfe gegen ihn. Im laufenden Prozess kämpft Martin Graf auch gegen die Verleumdungen, die gegen ihn erhoben werden. Er will vor Gericht den Beweis, dass er korrekt gehandelt hat – dann wird er sich aus der Stiftung zurückziehen. Alles andere habe ich nicht zu beurteilen. Die Neuaufstellung der Vermögenswerte dieser Stiftung ist laut Martin Graf korrekt und zudem lukrativ. Das kann und will nicht ich prüfen, sondern das ist Sache des Gerichts.

Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Der Kauf der Immobilie, in der Grafs Bruder ein Lokal hat, ergibt eine mehr als schiefe Optik, nicht?
Ja, stimmt, es hat eine mehr als komische Optik. Daher müssen nun alle Fakten und Zahlen geprüft werden. Ich sage auch, wenn persönliche Bereicherung im Spiel war, müsste er die politischen Konsequenzen tragen. Er hat mir aber versichert, dass es keine solche Bereicherung gab, sondern im Gegenteil bessere Mieteinnahmen erzielt wurden, die es vorher so nicht gab. Auch der Bruder Grafs hat keinen Vorteil, er zahlte vorher an einen anderen Vermieter, nun an die Stiftung.

Es ist vielleicht bequemer, wenn der Vermieter unter dem Einfluss des eigenen Bruders steht. Das ist vielleicht nicht persönliche Bereicherung, aber dubios. Also ich nehme an, Sie sind wegen des Falls etwas unglücklich.
Selbstverständlich. Das ist sehr unangenehm für uns. Nicht zuletzt, weil auch Vorwürfe erhoben werden, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Können Sie sich vorstellen, mitzustimmen, wenn eine neue gesetzliche Möglichkeit geschaffen und beschlossen werden soll, einen der Nationalratspräsidenten, also auch den Ihren, abwählen zu können?
Ja, das können wir uns sehr gut vorstellen, das sollte dann wie bei den Volksanwälten geregelt werden. Es sollte also festgehalten werden, dass das Nominierungsrecht wie vorgeschrieben nach der Stärke der Fraktionen verläuft. Und wenn etwa ein Kandidat einer Partei abgewählt wird, diese auch den Nachfolger vorschlagen darf.

Die Nominierung nach Stärke ist Usance.

Aber nicht immer. Jedes Mal wenn es um einen FPÖ-Kandidaten geht, halten sich Grüne und Teile der SPÖ nicht an das demokratische Wahlergebnis.


Wie es aussieht, bei Martin Graf vielleicht zu Recht.
Auch bei Peter Fichtenbauer hätten wir ähnliche Diskussionen.

Das glaube ich nicht.
Was stimmt ist, dass gegen Martin Graf immer Kampagnen geführt wurden. Die Vorverurteilung erinnert schon manchmal an den Fall Strauss-Kahn.

Sie vergleichen den Fall Martin Graf mit dem Sexskandal Dominique Strauss-Kahns? Jetzt wird es aber unterhaltsam. War das alles eine Falle für Martin Graf?
Ich vergleiche nur die Vorverurteilung, sonst überhaupt nichts.

Die Regierung hätte gern Ihre Zustimmung bei der Neuregelung der staatlichen Parteienförderung. Bekommt sie die?
Wir verhandeln darüber. Aber es wird keinen Cent mehr für die Parteien geben. Sonst stimmen wir nicht zu.

Aber wenn es mehr Geld für die Bundesparteien gibt?
Wir werden nicht zustimmen, wenn es für irgendwen mehr Geld gibt.

Und wenn es um ein Paket für mehr direkte Demokratie geht? Werden Sie dann mitstimmen?
Wir haben bei diesem Thema die Führerschaft gehabt.

Die haben Sie jetzt kurz verloren.
Das ist eine Fehleinschätzung. Die ÖVP ist nur wegen uns auf dieses Thema aufgesprungen. Man sieht auch, dass viele der Vorschläge in Richtung Schein-direkte-Demokratie gehen. Da sollen zwar Initiativen schneller im Parlament behandelt werden, aber dort können Sie laut den ÖVP-Vorschlägen erst wieder abgedreht werden. Das ist keine direkte Demokratie. Wir brauchen echte Möglichkeiten, damit die Bevölkerung auch Fehlentscheidungen mit einer Initiative korrigieren kann. Das letzte Wort muss wie in der Schweiz das Volk haben. Das hilft auch gegen die Politikverdrossenheit.

Würden Sie bei einer Volksabstimmung über eine Demokratiereform dafür stimmen, weil es für Sie zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung ist? Oder werden Sie dagegen mobilisieren, weil es Ihnen zu wenig ist?
Jetzt verhandeln wir einmal. Aber es muss etwa gesichert werden, dass die Bevölkerung bei wichtigen Entscheidungen eingebunden ist, zum Beispiel, wenn ein milliardenschwerer Schirm für den Euro gebildet wird. Auch Budgetfragen dürfen keinesfalls ausgenommen werden. In der Schweiz wird gerade in den Kantonen, in denen die direkte Demokratie besonders ausgeprägt ist, besonders gut gewirtschaftet.

Was machen Sie denn nun bei der Volksabstimmung?
Wenn der Ausbau nicht echt ist, werden wir das natürlich aufzeigen. Aber an den Verhandlungen, das zu verhindern, beteiligen wir uns natürlich. Aber wir werden auch einen ersten Schritt zum Ausbau begrüßen.

Das heißt Zustimmung.
Wenn es einen verbindlichen Charakter eines Volksbegehrens gibt, dann ja. Die direkte Demokratie hilft, das Parteien insgesamt sachlicher werden müssen, und dass sich etwa SPÖ und Grüne mit ihrer Ausgrenzung von Politikern, die anders denken, nicht mehr so leicht tun, weil sie mehr diskutieren müssen. Auch die Regierung kann nicht mehr so über die Opposition drüberfahren. Wenn die direkte Demokratie versteckt wird, erleben wir Zerfallserscheinungen wie Italien mit der Democrazia Cristiana vor 20 Jahren.

Wer wären denn dann Sie: eher Umberto Bossi, Gianfranco Fini oder doch Silvio Berlusconi?
Ich vergleiche mich grundsätzlich nicht mit anderen Politikern.

Sie wollen Kanzler werden. Das werden Sie aber nicht, weil Sie keinen Koalitionspartner haben.
Das wird sich noch ändern. SPÖ und ÖVP werden massiv abrutschen, dann kommen andere Leute.

Das sagen Sie immer. Fürchten Sie sich vor den Piraten? In Innsbruck hat diese Protestpartei dort gewonnen, wo die FPÖ stark war.
Das stimmt so nicht. In Deutschland gibt es keine Partei wie die FPÖ. Gäbe es eine, hätte sie sicher ein Potenzial von 15 Prozent, das wissen wir aus Umfragen. Daher können dort die Piraten mit ihrem Protest reüssieren. In Österreich gibt es uns, daher werden die Piraten höchstens am linken Rand bei den Grünen fischen. Vielleicht gibt es irgendwann auch in Deutschland eine Partei wie uns, mit vernunftbegabten Leuten.

Haben Sie dort entsprechende Kontakte oder Pläne?
Natürlich haben wir dort Kontakte. Es gibt viele unzufriedene CSU- oder CDU-Politiker, die mit uns immer wieder – natürlich, ohne es öffentlich zu sagen – sprechen und über eine mögliche Gründung einer Partei unseres Zuschnitts reden.

Jörg Haider ist schon daran gescheitert, eine europäische Partei zu gründen, Ihnen ist das bisher auch nicht wirklich gelungen.
Das stimmt nicht, es gibt bereits unsere Europapartei, und da wird vor der kommenden EU-Wahl noch einiges passieren und wachsen. Darauf können Sie sich verlassen.

Wahlkampfthema wäre das Aus für den Euro?
Wir würden eher für die Schaffung eines harten Nordeuro plädieren.

Und unter anderem eine Aufwertung dieser Währung erreichen, die unsere Exportwirtschaft in eine schwere Krise führen würde.
Natürlich würde das anfangs auch etwas kosten, aber der Verbleib kostet uns auch viel. Österreichs Exportwirtschaft könnte dann mit ihrer Qualität punkten.

("Die Presse", Printausgabe, 03.06.2012)

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