Jüdisches Museum: "Haben Juden große Nasen?"

Juedisches Museum Hohenems
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Die aktuelle Ausstellung in Hohenems stellt die Frage, „was Sie schon immer über Juden wissen wollten.“ Die Antworten sind weder klar noch simpel. Der Besucher kann sich sein eigenes Bild herausfischen.

Ja, bitterböse. Da steht die Schauspielerin Roseanne Barr („Roseanne“) in heimeliger Küche mit ultragroßem Backofen, trägt ein schwarzes Kleid, rote Schürze, hält ein Backblech mit verbrannten Keksen in Menschenform. Und im Gesicht trägt die Amerikanerin das wohl gruseligste Accessoire schlechthin: Ein Hitlerbärtchen. Nun heißt das Foto auch noch „Hitler – Burnt Jew Cookies“. Der Fotograf Bradley Meinz hat es 2010 für das jüdische, humoristische Magazin „Heeb“ arrangiert.

Die Veröffentlichung hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, während die Mitwirkenden bekräftigt haben, dass es sich um ein satirische Darstellung handelt und nicht gemacht wurde, um die Welt zu schockieren. „Certainly Jews have been joking about the Holocaust since the Holocaust“, antwortete Heeb-Herausgeber Joshua Neuman auf die Proteste. Und stach damit in ein Wespennest, in das ständig gestochen wird: Darf man über den Holocaust Witze machen? Darf Roseanne das, weil sie Jüdin ist? Genau diese Fragen werden derzeit anhand des Meinz-Bildes auch im Jüdischen Museum in Hohenems gestellt – im Rahmen der Ausstellung „Was Sie schon immer über Juden wissen wollten . . . aber nie zu fragen wagten.“



Mit einer simplen, universalen und zufriedenstellenden Antwort ist hier allerdings nicht zu rechnen. Wie auch, wenn es um systematischen Völkermord geht? Stattdessen werden hier Antwortfragmente in Form von Zitaten und einzelnen Ausstellungsstücken gegeben, wobei der Besucher sich sein eigenes Bild, bisweilen seine eigene Antwort herausfischen kann. Auf die Frage nach dem Holocaust-Witz antwortet beispielsweise Wiens Oberrabiner Paul Chaim Eisenberg so: „Er muss schon sehr gut sein.“

Legobaukasten für Konzentrationslager

Nicht minder schwer zu beantworten ist auch die nächste Frage: „Kann man einen Schlussstrich unter die Shoa ziehen?“ Das dazugehörige Ausstellungsstück zeigt einen Legobaukasten, mit dem ein Konzentrationslager nachgebaut werden kann, inklusive Folterkammer und kleinen SS-Männchen mit Schlagstock. „Wer verschont wird, während man die Seinigen gemordet hat“, wird hier der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki zitiert, „kann mit sich und der Welt keinen Frieden machen.“

Der Baukasten irritiert die meisten Besucher, sagt Hanno Loewy, Direktor des Museums und einer von zwei Kuratoren: „Die Leute fragen sich, ob es das wirklich gibt.“ Tut es aber nicht – es ist ein Kunstobjekt des Polen Zbigniew Libera. Mancher Besucher ist beim Anblick derart schockiert, dass er mit dieser Reaktion auch gleich die Antwort auf die gestellte Frage erhält: Nein, man kann und soll keinen Schlussstrich ziehen.

Warum die Ausstellung auf Antworten nur verweist, bisweilen gar keine gibt? Weil manche Fragen schlicht und einfach nicht logisch beantwortet werden können, andere komplex sind – „Warum werden immer die Juden verfolgt?“ oder „Gehören alle Juden nach Israel?“ –, wiederum andere antijüdische Ressentiments enthalten – „Sind Juden besonders klug/geschäftstüchtig/mächtig?“. Und bei der Frage, warum männliche Juden beschnitten werden, wird erklärt, dass in Südkorea – ein Land mit, sagen wir, marginaler jüdischer Bevölkerung – 80 Prozent der Männer beschnitten sind. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, so Loewy, dass die Beschneidung keine „typisch jüdische“ (oder muslimische) Angelegenheit ist.

Jüdische Witze, besonders lustig?

Die Ausstellung – noch bis Anfang Oktober zu sehen – ist insofern anregend, da das Museum einem das Fragen nur scheinbar abnimmt, seine Besucher aber trotzdem nicht im Dunklen tappen lässt.

Die Auswahl der Fragen könnte man indessen so beschreiben: Frequently asked questions über das Judentum. Wenig überraschend, dass da auch diese vorkommt: „Haben Juden große Nasen?“ Die Antwort darauf ist genauso paradox wie die Frage selbst: Eine Videoinstallation (Tamar Latzman), in der eine Geschichte erzählt wird, die auch Gregor Samsa hätte passieren können. Die Protagonistin wacht eines Morgens auf und bemerkt, dass ihre Nase stetig wächst. Ihr Gesicht ist verpixelt, nur ab und zu kommt ihre Nase zum Vorschein.

Nicht fehlen darf auch der Regisseur Woody Allen, der sich viele dieser Fragen (in seinen Filmen) selbst gestellt hat. „Woher soll ich wissen, warum es Nazis gibt?“, lässt er Mickeys Vater in „Hannah and Her Sisters“ sagen, „Ich weiß auch nicht, wie ein Dosenöffner funktioniert.“ Mehrere Allen-Zitate werden bei der Frage: Sind jüdische Witze besonders lustig?“ angegeben. Die Antwort ist zur Abwechslung denkbar simpel: Woody Allen ist nicht lustig, weil er jüdisch ist, sondern weil er lustig ist: „Die meiste Zeit habe ich wenig Spaß. Die übrige Zeit habe ich überhaupt keinen Spaß.“

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