Muss Zypern bald unter den Rettungsschirm?

Symbolbild
Symbolbild(c) AP (SVEN KAESTNER)
  • Drucken

Erstmals könnte ein EU-Vorsitzland gezwungen sein, seine Souveränität in Haushaltsfragen vorübergehend abzugeben. Nikosia braucht Hilfe, um die Auswirkungen der griechischen Schuldenkrise zu verkraften.

Nikosia/Ag/Wb. Zypern dürfte das nächste EU-Land werden, das um Hilfe aus dem EU-Rettungsschirm EFSF ansucht. Wie es am Montag aus dem zypriotischen Finanzministerium hieß, könnte die Regierung in den nächsten Wochen einen Antrag auf Unterstützung stellen. Allerdings, so hieß es, würde davor noch nach Alternativen gesucht. Staatspräsident Dimitris Christofias hatte bereits am Rande seines Besuchs in Wien vor zwei Wochen eine Zuspitzung der Finanzprobleme seines Landes nicht ausschließen wollen.

Ursache für die Probleme des Landes sind die Banken, die eng mit Griechenland verbunden sind. Sie mussten bereits im Rahmen des Schuldenschnitts für Athen auf einen Teil ihrer Forderungen an den griechischen Staat verzichten. Dabei verloren sie rund drei Milliarden Euro. Die Finanzinstitute belasten aber auch private Kredite griechischer Bürger in der Höhe von 22 Milliarden Euro, die sie zumindest zum Teil abschreiben müssen. Die Schuldenlast entspricht mehr als der jährlichen Wirtschaftsleistung des kleinen Landes (18 Mrd. Euro). Wenn sich die Lage in Griechenland nach den Wahlen am 17. Juni weiter verschärft, dürfte auch Zypern in Mitleidenschaft gezogen werden. Laut den zypriotischen Finanzkreisen dürfte danach auch die Entscheidung über den Antrag auf Unterstützung durch den Euro-Rettungsschirm fallen. Große Angst besteht in Nikosia vor einem Euroaustritt Griechenlands. „Das würde zu chaotischen Zuständen führen“, warnt Christofias.

Am 1. Juli wird das Land die EU-Präsidentschaft übernehmen. Sollte Nikosia gleichzeitig unter den Euro-Rettungsschirm rutschen, wäre es das erste EU-Land, das während seines Vorsitzes eine Einschränkung der nationalen Souveränität in Haushaltsfragen hinnehmen müsste. Im Fall von Notkrediten durch EFSF und IWF müsste das Land ein Sparprogramm vorlegen, das ebenso wie jenes von Griechenland, Portugal und Irland von den internationalen Partnern bei der Umsetzung kontrolliert würde.

Präsident Christofias und seine Regierung haben bereits im Vorjahr ein Sparprogramm beschlossen. Es sieht Einsparungen von 600 Millionen Euro bis Ende 2012 vor. Um liquid zu bleiben, half zudem ein russischer Kredit in der Höhe von 2,5 Milliarden Euro zu einem relativ günstigen Zinssatz von 4,5 Prozent. Doch nun droht dem Staat erneut das Geld auszugehen.

Russland hat Interesse

Fraglich ist, ob Russland noch einmal Finanzmittel zur Verfügung stellen würde. Immerhin hat Moskau Interesse daran, dass es bei der Ausbeutung der entdeckten Gasfelder vor der Küste der Insel beteiligt wird. Die Gasvorkommen, die auch amerikanische Konzerne angelockt haben, könnten zwar zur Sanierung des Landes beitragen, das Problem daran ist aber ein heikler Streit mit der Türkei: Ankara besteht nämlich darauf, dass der türkisch besetzte Norden der Insel direkt von der Energiegewinnung profitiert und fordert einen Zugang zu den Gasfeldern. Die Republik Zypern will aber auf ihre Hoheitsrechte nicht einseitig verzichten.

Die Spannungen zwischen Ankara und Nikosia haben sich durch militärische Drohgebärden der türkischen Seite zuletzt verschärft. Außerdem boykottiert die Türkei den EU-Vorsitz Zyperns. Sie will während dieser sechs Monate nicht weiter über seinen Beitritt verhandeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europa

Christofias: "Euro entspricht dem Neoliberalismus, der versagt hat!

Zyperns Präsident Dimitris Christofias kritisiert im Interview mit der "Presse" das Krisenmanagement der Regierungen der Europäischen Union und warnt vor einer "neo-ottomanischen" Türkei.
Die zypriotische Volksbank braucht eine Kapitalaufstockung von 1,8 Milliarden Euro
Home

Bangen um Zypern im Sog der EU-Dauerkrise

Die Volksbank des Landes braucht frisches Kapital. Dafür könnte der Mittelmeerstaat gezwungen sein, die EU um Finanzhilfe zu bitten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.