Zu Gast im Eissalon zum griesgrämigen Luciano

Luciano bimmelt mit seiner Glocke, wenn er mit seinem Eiswagen in die Straße einbiegt. Die Kinder lassen ihre Spielsachen fallen und laufen zum Eisverkäufer, der gerade den Fensterladen seines Gelatomobils öffnet.

Luciano bimmelt mit seiner Glocke, wenn er mit seinem Eiswagen in die Straße einbiegt. Die Kinder lassen ihre Spielsachen fallen und laufen zum Eisverkäufer, der gerade den Fensterladen seines Gelatomobils öffnet. Und am Ende stehen auf der Straße der begrünten Vorstadtsiedlung Dutzende lachende Kinder, die an ihrem Eis schlecken – während Luciano mit einem freundlichen Augenzwinkern wieder seinen Wagen besteigt und ihn in Richtung Sonnenuntergang lenkt. Vielleicht laufen ein paar Kinder auch noch winkend hinterher. Das ist sie, die romantisch-idealisierte Vorstellung eines Eisverkäufers.

Die Realität hat damit nicht wahnsinnig viel zu tun. Schon gar nicht, wenn man an einem sonnigen Tag den bekannten Eissalon am Wiener Lugeck frequentiert. Dort muss zunächst durch eine Traube von Menschen, die ihr Eis unbedingt genau im Türbereich verspeisen müssen, der Zugang zur Theke erkämpft werden. Um dort einem griesgrämigen Luciano, Pietro oder Adriano gegenüberzutreten, dessen Mimik zwischen Sylvester Stallone und hungrigem Rottweiler oszilliert. „Prego“, erschallt der genervte Kampfruf aus dem Chor der Gelato-Mafiosi, wobei der Tonfall an ein militärisches Kommando zum sofortigen Rückzug erinnert. Und wehe, man nennt nicht auf Anhieb stakkatoartig die drei gewünschten Sorten – denn dann schaufelt der Caporale einfach eine beliebige Eissorte seiner Wahl auf die Waffel.

Kritik, dass man eigentlich kein Malagaeis bestellt hat, wird im schlechteren Fall überhört. Im besseren Fall klatscht die Eiskugel mit einem etwas zu offensichtlichen Seufzen zurück in die Kühltruhe. Die Eistüte wandert über die Theke, die Münze verschwindet in der Kassa. Und während man noch nach einem dieser hygienisch in einer Schüssel gelagerten Plastiklöffel fingert, hört man Luciano schon wieder genervt „Prego“ schreien. „Grazie“ hat er noch nie gesagt...

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2012)

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