Entwicklung: Wie Geografie Geschichte machte

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Kontinente, die sich in West-Ost-Richtung erstrecken, sind gesegnet, auf anderen lastet der Fluch der Nord-Süd-Achse. Diese Hypothese wurde nun bestätigt.

Betrachten Sie die Karte der Erde und vergleichen Sie die Form und Orientierung der Kontinente! Ein offensichtlicher Unterschied wird Ihnen ins Auge stechen. Die beiden Amerikas erstrecken sich in Nord-Süd-Richtung über eine viel größere Distanz (9000 Meilen) als in West-Ost-Richtung: An der breitesten Stelle sind es nur 3000 Meilen, sie verengen sich am Isthmus von Panama auf 40.“ Ein ähnliches Bild bietet Afrika, ein ganz anderes hingegen Eurasien, es zieht sich von Westen nach Osten.
„Um diese Achsen herum entschied sich das Schicksal der Weltgeschichte“: Auf gleicher geografischer Breite – der West-Ost-Achse – herrscht das gleiche Klima, in ihm gedeihen die gleichen Nutzpflanzen und -tiere, dort konnte sich die Agrikultur, als sie im Nahen Osten erfunden worden war, rasch ausbreiten, in beide Richtungen, und ihr im Gefolge der Rest der Kultur, die Schrift etc. Von Süden nach Norden und umgekehrt versperren hingegen Klimazonen den Weg.

So erklärte das Multitalent Jared Diamond 1997 in „Guns, Germs and Steel“ den Unterschied zwischen dem früh fortgeschrittenen Eurasien und den heute noch zurückliegenden Armenhäusern in Afrika und Südamerika, und es klang durchaus plausibel. Aber wie soll man es testen, für einen breiten Vergleich gibt es schlichtweg zu wenige Kontinente? Diamond selbst hat es auch kleinräumiger versucht, etwa für das frühe Südchina oder die Sahelzone, die auch einmal blühte. Beide sind West-Ost-Achsen, bei beiden bewährte sich das Modell. Bei Nord-Süd-Achsen geriet der Forscher hingegen in Ungereimtheiten: Zwischen Mexiko und den Anden konnten die regional auch früh und hoch entwickelten Kulturen bzw. ihre Träger nicht leicht wandern, weil „heiße Ebenen“ Einhalt geboten. Die Bantu hingegen hätten auf ihrem Weg durch halb Afrika – von Norden nach Süden – „trockene Regionen wie Laubfrösche übersprungen.“

Viele Sprachen, wenig Chancen

Andere Forscher analysierten die Ausdehnung von Großreichen – und sahen Diamond für die Vergangenheit bestätigt, aber nicht für die Gegenwart –, wieder andere setzen auf beredte Zeugen: Die Vielfalt der Sprachen soll zeigen, wie stark voneinander isoliert oder eng miteinander verbunden einzelne Regionen sind. Geht es nach Diamond, muss die Vielfalt der Sprachen entlang den Nord-Süd-Achsen größer sein. Das hat sich in kleinem Maß früher bestätigt, nun hat es Politologe David Laitin (Stanford) auf der Ebene von 147 Staaten und ihren Sprachen versucht – und zur Vorsicht auf drei Variablen kontrolliert: (a) den Abstand vom Äquator, an dem die Sprachenvielfalt größer ist, (b) die Fruchtbarkeit der Böden und (c) die Gebirge, beide beeinflussen natürlich die Wanderbewegungen.

„In Übereinstimmung mit Diamonds Theorie der Kontinental-Achsen finden wir, dass der Grad, in dem ein Land eher Nord-Süd-Ausrichtung hat als West-Ost, in positiver Beziehung zur kulturellen Vielfalt steht (Pnas, 11. 6.). Das ist der generelle Befund, er ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: Die Grenzen von Staaten sind nicht – wie die von Kontinenten – von der Natur gemacht, sondern in bitteren Kriegen erstritten und bisweilen mit dem Lineal am Schreibtisch gezogen. Deshalb hat Laitin „künstliche geografische Einheiten“ konstruiert, in ihnen hat er je einen Staat und seine Nachbarstaaten zusammengefasst. Auch das ist nur ein Hilfsmittel – die USA haben ganze zwei Nachbarn, Russland hat 14 –, aber es bestätigt den Trend. „Wir behaupten nicht, dass die historisch konditionierte kulturelle Diversität Gesellschaften ewig im Griff niederen ökonomischen Wachstums und hoher Gewalt hält“, schließt Laitin: „Aber Diamonds Achsentheorie erinnert daran, dass diese unglücklichen Ausgangslagen nicht von der Kultur, sondern von der Geografie kommen.“

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