Demenz: „Das war nicht mehr der liebevolle Partner“

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Symbolbld(c) Clemens Fabry
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Demenz verändert nicht nur die geistigen Fähigkeiten eines Betroffenen, sondern auch sein Wesen. Wie Angehörige zum eigenen und zum Wohle des Betroffenen am besten damit umgehen, beschreiben zwei Bücher.

Die Diagnose Demenz erhielt ich sieben Jahre vor dem Tod meines Mannes. Ich kannte die Krankheit nicht . . . Ich machte viele Fehler, ich konnte sein Tun nicht verstehen. Das war nicht mehr mein Mann, er war nicht mehr der liebevolle Partner, der Freund und fürsorgliche Kamerad . . .“ Das schreibt Hella Klein in dem Buch „10 nach 10, Montessori für Demenzkranke“.

Vorhandene Fähigkeiten fördern

Die Düsseldorferin holte sich damals schnell Informationen über die Krankheit und suchte nach alternativen Therapiemöglichkeiten, um ihrem demenzkranken Mann wieder ein Stück Lebensqualität zurückzugeben. Hella Klein entdeckte die Montessori-Methode und ist heute Montessori-Pädagogin und -Therapeutin für Senioren. Die Demenzerkrankung ihres Mannes war für sie Anlass, diese Methode auf die Arbeit mit Demenzkranken zu übertragen.
Maria Montessori war eine italienische Ärztin, die an einer Nervenklinik arbeitete und auch die sich selbst überlassenen Kinder des Pflegepersonals betreute. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sie eine spezielle Therapieform, die auch den Umgang mit Demenzkranken erleichtert. Dazu zählt vor allem genaue Beobachtung des Betroffenen, um noch vorhandene Fähigkeiten zu fördern und Freude am eigenen Tun wiederzuerwecken.

Einfache Übungen, die aus dem Alltag gegriffen sind, sollen die Reaktionsfähigkeit, das Gedächtnis und die Geschicklichkeit der Finger anregen. „Die Hände sind das Werkzeug der Intelligenz“, sagte Maria Montessori. Bunte Bilder regen spielerisch die Tätigkeit mit Sand, Körnern oder Muscheln an, Geschicklichkeit wird mit Schüttübungen gefördert, etwa das Einschenken einer Tasse Kaffee. Auch verschiedene Memory-Spiele werden angeboten. „Alle Beschäftigungen sollen dem Demenzkranken Freude machen und seine Selbstständigkeit erhalten“, meint Hella Klein.
„10 nach 10, Montessori für Demenzkranke, ein Buch für Angehörige, Freunde und Betreuer“, Renate Götz Verlag, 172 Seiten, 19,90 €.

Folgen der Demenz lindern

In Österreich leben derzeit rund 100.000 demenzkranke Menschen, wobei die Dunkelziffer noch höher geschätzt wird. Bis zum Jahr 2050 ist mit 240.000 Erkrankten zu rechnen. „So dramatisch sich dieses Krankheitsbild auf den Alltag der Betroffenen und ihrer Angehörigen auswirkt, so kann doch viel getan werden, um die Folgen der Demenz zu lindern“, heißt es in einem anderem Buch, im Ratgeber „Demenzgerechte Pflege und Betreuung“. Die Autoren Rudolf Öhlinger, Remo Schneider und Günter Dorfmeister sind Experten auf dem Gebiet der Pflegewissenschaft und des Managements der SeneCura-Gruppe (Kliniken und Heime mit speziellen Demenzstationen).

Gesundheitsminister Alois Stöger bezeichnet das Buch in einem Vorwort als „praxisorientierten und übersichtlichen Leitfaden für das Personal in Pflegeeinrichtungen und für pflegende Angehörige“. Demenz ist zwar gegenwärtig mit Medikamenten nicht heilbar, aber einige Wirkstoffe können den Verlauf verlangsamen. Die Autoren empfehlen etwa Ginkgo biloba zur besseren Durchblutung des Gehirns und antioxidative Substanzen wie Vitamin E. Mit reaktivierender Pflege sollen Selbstständigkeit im Alltag und positives Selbstwertgefühl gefördert werden. Es werden dafür zahlreiche Möglichkeiten aufgezählt, wie Physiotherapie, Psycho- oder Musiktherapie.

Über Vergangenes reden

Auch Biografie-Arbeit, das Sprechen über vergangene Erlebnisse, kann helfen, „letzte Erinnerungsinseln zu bewahren“. Darüber hinaus werden auch Ratschläge zur Linderung körperlicher Beschwerden gegeben, wie Ernährungsprobleme oder Inkontinenz. Ein umfangreiches Kapitel ist den Aufgaben der Angehörigen, Bekannten und Freunde gewidmet, um deren Belastung zu erleichtern. Eine Liste von Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Informationen über Pflegeeinrichtungen sowie Qualitätskriterien für die Unterbringung in einem Heim findet sich im Anhang des Buches.

„Demenzgerechte Pflege und Betreuung. Pflege und Betreuung, Kommunikation, Lebensraumgestaltung“, Neuer Wissenschaftlicher Verlag, 190 Seiten, 29,80 €.
Doch: Jedes Vergessen muss nicht gleich Demenz sein. Mitunter steckt eine Depression dahinter – mit ähnlichen Symptomen wie die einer Demenz, etwa Gedächtnislücken, Störungen der Urteilsfähigkeit, des Denkvermögens, des Sozialverhaltens bis zur Aggression.

Etwa 30 Prozent der Patienten, die wegen einer Demenz an eine Gedächtnisambulanz kommen, leiden auch an depressiven Störungen. „Das Gefühl, sich nichts mehr merken zu können, wird durch die negative Erwartungshaltung der Depression verstärkt. Das lenkt von der Diagnose ab“, sagt Peter Fischer vom Sozialmedizinischen Zentrum Ost in Wien.

Ein wichtiger Unterschied zwischen Demenz und Depression sei die Orientierungsfähigkeit. Depressive können in der Regel Datum, Uhrzeit und Ort richtig angeben, während Demente dazu nicht mehr in der Lage sind. Die Abklärung durch den Neurologen oder Psychiater ist daher besonders wichtig, denn danach muss sich die Therapie richten.

Auf einen Blick

Mindestens 100.000 demenzkranke Menschen gibt es derzeit in Österreich, bis zum Jahr 2050 ist mit 240.000 Erkrankten zu rechnen.
Der Umgang mit dementen Menschen ist für Angehörige nicht immer leicht – zwei Bücher wollen dabei helfen. Ganz wichtig ist es dabei, Demenzkranke in ihrer Welt abzuholen und nicht ihnen die eigene Welt aufzwingen zu wollen. Sie haben keinen Zugang mehr dazu, das macht ihnen nur Angst.
Wichtig ist es auch, noch vorhandene Fähigkeiten der Kranken zu fördern und die Freude am eigenen Tun wieder zu wecken.

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