Kunst/Mode: Hummerkleid auf Hirngespinst im Mumok

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Die große Sommerausstellung des Museums moderner Kunst verliert sich in ihrem umfangreichen Thema: den Kollaborationen und Verbindungen zwischen Kunst und Mode. Trotzdem ein Pflichttermin.

„Damenmode! Du grässlichstes kapitel kulturgeschichte!“ Adolf Loos hat es immer schon besser gewusst. Er hatte leicht schimpfen, konnte er sich doch auf Anzüge englischen oder amerikanischen Fabrikats verlassen. Schließlich sollten seiner Ansicht nach Mode wie Häuser vor allem unauffällig sein, wollten sie als „modern“ gelten. Darin war Loos tatsächlich ein größerer Visionär des Alltäglichen als seine Kollegen der anderen Fraktion, der Secessionisten, die das exotische „Reformkleid“ propagierten: extrem auffällig, weit fallend, kunsthandwerklich verziert.

Heute sind diese Zelte vor allem durch die Sommerfrischefotos ihrer Entwerferin, Klimts ewiger Begleiterin Emilie Flöge, präsent. Man könnte sie im damaligen Sinn „Eigenkleider“ nennen – also textile Porträts ihrer Trägerin. Ein prächtiges weißes Exemplar davon steht im Hintergrund des Erdgeschoßsaals des Mumok. Der Geist dieser Sommerausstellung.

Allerdings kommen Flöges Entwürfe darin nicht so gut weg, sie bezeichnen eher einen „Endpunkt“, schließt Modeexpertin Angela Völker im Katalog. Der ein besonders apartes Exemplar von Kunstbuch wurde. Er ist sozusagen der Modesalon, in dem die Verbindungen zwischen Kunst und Mode seit der Moderne vorgeführt und fachgerecht erklärt werden. Die Ausstellung selbst dagegen ist eher der überquellende Kleiderkasten. Man merkt, dass Kuratorin Susanne Neuburger das Thema jahrelang recherchiert und versucht hat, es umfassend darzustellen. Doch verliert man im Gewühl der 300 Exponate von 100 Künstlern leicht den Faden.

Wobei man noch einmal so viele Künstler finden könnte, die sich in diesem Themenkreis herumtreiben. Und man aus den gewählten drei Kapiteln, in die die Schau unterteilt wurde, noch mindestens zehn weitere filtern könnte. Die feministischen Modekommentare etwa von Cindy Sherman, Birgit Jürgenssen oder den „Damen“. Das Crossdressing von Duchamp bis Hans Scheirl. Oder die konkreten Kleiderentwürfe von Künstlern, die dilettierend oder in Kooperation mit Designern entstanden sind. Das Dinnerkleid von Salvador Dalí und Elsa Schiaparelli von 1937 etwa mit dem kessen roten Hummer auf dem Rock. Oder Ellsworth Kellys gestreiftes Cocktailkleid für Sammlerin Ann Weber. Und am besten: das Brautkleid von Christo, dessen Schleppe sich wörtlich nimmt und wie ein verpackter Stein von der Frau wie ein Maultier geschleppt werden muss.



Eine große Sommerausstellung aber muss wohl eine große Sommerausstellung sein. In den drei Themenkreisen Anfänge der Kunst-Mode-Kollaboration in der Moderne, Höhepunkt in Surrealismus und Pop-Art und Ideen zum „schwarzen“, „traurigen“ (Baudelaire) Herrenanzug, findet man alles: Beuys' Filzanzug und Warhols Bluse aus grünen Briefmarken. Ein Archiv von Textilien aus dem andinen Raum, das Ines Doujak mit mehreren Bedeutungsebenen versehen durch die Welt reisen lässt. Eine Anleitung Milan Knisaks „Wie man Kleider aktualisiert“ durch abgerissene Ärmel und Krägen in grellen Farben. Sylvie Fleurys Kleid aus einem Formel-1-Anzug. Hans Bellmers Puppenfetische.

„Text heißt Gewebe“ hat Roland Barthes formuliert und so Künstlern einen gewichtigen textilen Kontext geschaffen. Aber auch Ausstellungen sind Gewebe. Diese hier ist eher Christos Brautkleid als das Mondrian-Kleid Yves Saint Laurents. Vor allem aber der Fokus auf die Aufarbeitung der weniger bekannten Künstlerinnen, die in diesem Zwischenbereich arbeiteten, macht die Ausstellung trotzdem zu einem Pflichttermin: Sonja Delaunay etwa, die bewusst die Malerei zugunsten der Mode verließ, um ihre Ideen in die Gesellschaft zu tragen.

Heute geschieht das anscheinend eher umgekehrt, denkt man an Helmut Lang oder Hedi Slimane, die beide zumindest temporär in die Kunst flüchteten. Eine interessante Kehrtwende eigentlich, die man gern erklärt bekommen würde. Auch in der Ausstellung wird das gespiegelt, es sind Beiträge von Wally Salner und Johannes Schweiger zu finden, die unter dem Label „Fabrics Interseasons“ auch schon in Paris zeigten. Letzterer hat sich in einer Installation der vergessenen Wiener-Werkstätten-Entwerferin Maria Likarz-Strauss angenommen.

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