Wo Licht ist, braucht's auch Schatten

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Ob Markisen, Raffstores, Jalousien... ihnen ist gemein, dass sie ungewollte Einblicke und die Sonne abhalten, aber auch helfen, Energie zu sparen.

Auch wenn der Sommer heuer nur langsam in Schwung kommt, in unseren Breiten kann man ein paar Wochen lang ganz schön ins Schwitzen kommen. Hannes Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik (BVST), spricht von 30 bis 40 kritischen Tagen im Jahr, an denen man mit Überhitzung in Gebäuden rechnen muss. So mancher greift dann zu Kühlmaßnahmen, die kräftig Strom fressen. In Zeiten der Diskussionen rund um Energieeffizienz und nachhaltige Gebäude hinkt die Realität in der Umsetzung den Vorgaben nach. Die Einsparungspotenziale sind noch beträchtlich.

Das Institut für Fenstertechnik (IFT Rosenheim) geht davon aus, dass sich durch bestehende Sonnenschutztechnologien eine Reduktion des gesamten Energieverbrauchs von Gebäuden um 30 Prozent erzielen ließe. Die TNO, eine niederländische Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung, hat Berechnungen angestellt, was die Kühlenergie betrifft: Durch die konsequente Nutzung von Sonnenschutz ließen sich 50 Prozent der Kühlenergie einsparen. Denn Kühlung ist besonders energieaufwendig: Laut BVST braucht man zur Senkung der Raumtemperatur um ein Grad Celsius dreimal so viel Energie wie zur Erwärmung derselben um ein Grad Celsius. Doch mit modernen Baustandards und Maßnahmen kann man bereits erreichen, dass in unseren Breiten eine maximale Temperatur von 27 Grad nicht überschritten wird. Gerstmann: „Die ÖNORM B8110 Teil 3 legt fest, dass Wohnhäuser im Sinne der Energieeffizienz zu planen sind und Überhitzung grundsätzlich zu vermeiden ist, um keine Kühllasten zu produzieren.“

Der Erfahrungswert vieler: Durch Sonnenschutz können angenehmere Raumtemperaturen erreicht werden. Das IFT Rosenheim listet noch andere Faktoren auf: Heutige Lösungen bieten Blendschutz, was vor allem beim Arbeiten am Bildschirm wichtig ist. Sie verhindern indiskrete Einblicke und auch Einbrüche und ermöglichen eine bessere Tageslichtnutzung durch gezielte Lenkung des Lichtes. Dynamischer – also beweglicher – Sonnenschutz kann laut Peter Gubisch, Geschäftsführer Schlotterer Sonnenschutzsysteme, die Stromkosten für künstliche Beleuchtung um bis zu 80 Prozent senken.

Sparmeister über den ganzen Lebenszyklus

Der Anbieter Warema hat für eines seiner Produkte, einen motorgetriebenen Raffstore, den CO2-Fußabdruck errechnet: Über seinen ganzen Lebenszyklus, bei dem man von einer Nutzung über 20 Jahre ausgeht, spart er 8,5 Tonnen CO2 – verursacht aber in seiner Herstellung, Nutzung und Entsorgung nur 150 Kilogramm CO2.

Worauf sollte bei der Wahl des richtigen Sonnenschutzes geachtet werden? Gerstmann: „Auf die Raumnutzung, die Ausrichtung der Fenster, die Fenstergrößen und die Glasqualität. Speichermasse und das Lüftungsverhalten eines Baus sind ebenfalls wesentlich. Je geringer die Speichermasse, umso essenzieller wird die Rolle des Sonnenschutzes.“ Außen liegende Lösungen haben den Vorteil, dass sie einen besseren Sonnenschutz im Sinne der Vermeidung von Überhitzung bieten, innen installierte bieten den besseren Blendschutz. Die Entwicklung geht dahin, dass Sonnenschutzsysteme die direkte Sonneneinstrahlung ausblenden und diffuses Tageslicht durchlassen. Wenn zum Beispiel das Gittergewebe einer Fassadenmarkise nur zu zehn Prozent transparent (gelocht) ist, gelangt bei Sonne genügend Tageslicht in den Raum, ohne ihn zu überwärmen.

Multitaskingfähig

Lamellenlösungen – wie Raffstores oder Jalousien – verfügen über Elemente, die verstellbar sind und nach der Sonne ausgerichtet werden. Schlotterer hat beispielsweise einen Raffstore entwickelt, der mit zwei unterschiedlichen Lamellen arbeitet: Die einen reflektieren Sonnenstrahlen und lassen sie nicht in den Raum – und sparen somit Kühllasten. Die anderen sind nach innen orientiert und lenken das Licht in das Gebäudeinnere an die Decke oder auch auf den Boden, ohne zu blenden – und verringern den Einsatz von Kunstlicht.

Bei anderen Lösungen auf dem Markt sind die Elemente im oberen Bereich weiter geöffnet, und man kann somit den Effekt eines Oberlichtes erzielen. Gerstmann ergänzt: „Auch motorisierte Lösungen kommen gut an, scheint die Sonne, wird automatisch heruntergefahren, bei böigem Wind und wenn die Sonne verschwindet, hochgefahren. Man kann auch in der Urlaubszeit Belebtheit vortäuschen.“ Die Systeme lassen sich automatisch über Sensoren oder durch manuellen Eingriff zum Beispiel durch Zeitmodule programmieren und steuern.

Weiterentwickeltes Glas

Als Alternative werden manchmal – vor allem in Bürogebäuden – auch Sonnenschutzgläser eingesetzt. Die Qualität von Gläsern und ihre Dämmeigenschaften haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verbessert. Franziska Trebut, wissenschaftliche Projektmanagerin Ögut, sieht den Einsatz von Sonnenschutzgläsern aber als begrenzt sinnvoll: „Hocheffiziente Gebäudekonzepte wie das Passivhaus schließen Sonnenschutzgläser aus. Der Grund dafür ist, dass diese Gläser nur Teile der Sonnenstrahlung in die Räume lassen. Was bei sommerlicher Hitze gewünscht ist, führt im Winter dazu, dass die Kraft der Sonne für die Erwärmung der Räume nicht optimal genutzt wird. Zusätzlich steigt der Bedarf an Beleuchtung.“ Es gibt aber schon Glaslösungen, die flexibel auf das Tageslicht reagieren, mit Einfärbung oder je nach Winkel des Lichteinfalls mit unterschiedlicher Reflexion. Tregut: „Ein beweglicher, außen liegender Sonnenschutz, der sich tagsüber und das Jahr über verändern lässt, ist meist sinnvoller.“

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.bvst.at, www.tno.nl,

www.schlotterer.at, www.warema.de,

www.ift-rosenheim.de,

www.oegut.at

Auf einen Blick

Dynamischer, also beweglicher Sonnenschutzkann auf zwei Arten Energie sparen: im Sommer durch passive Kühlung, im Winter, indem die Sonne zum Heizen genutzt wird. Er kann die Innentemperatur eines Raumes im Sommer um fünf bis zehn Grad Celsius senken. Neben der Energie fürs Kühlen lässt sich auch am Strom für die künstliche Beleuchtung sparen. Tageslicht kann ins Rauminnere gelenkt werden, ohne die Hitze „mitzunehmen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2012)

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