Nach der Griechen-Wahl
Nach Griechen-Wahl: "Ergebnis macht mittelfristig Sorgen"
Austro-Ökonomen warnen davor, den Wahlsieg der Spar-Befürworter in Griechenland überzubewerten. Es müsse den Griechen gelingen, die Reformkräfte in der Regierung zu mobilisieren.
Friedrich Schneider, Universitätsprofessor in Linz
Für Schneider muss nun "rasch eine gewisse wirtschaftliche Belebung" in Griechenland durch Projekte der Europäischen Investitionsbank (EIB) und EU-Infrastrukturfonds ausgelöst werden, etwa im Tourismus- und Transportsektor. Die griechische Wirtschaft schrumpft heuer bereits das fünfte Jahr in Folge. "Wenn die Kräne auffahren, kippt die Stimmung vielleicht ins Positive", hofft der Wirtschaftsforscher. Die EU und Griechenland müssten nun "aufeinander zugehen". Der griechische Staatshaushalt könne nicht saniert werden, wenn die Wirtschaft in der Rezession ist, gab Schneider zu Bedenken.
Ulrich Schuh, Chef des industrienahen Forschungsinstituts EcoAustria
Schuh macht das Wahlergebnis in Griechenland "mittelfristig Sorgen". Man sei von einem "klarem Zeichen weit entfernt". Die Sparmaßnahmen würden der Opposition in Zukunft noch mehr Zuspruch bringen. Die Kapitalflucht in Griechenland sei Ausdruck der "berechtigen Sorge", ob Griechenland in der Eurzone bleibt. Vor den griechischen Parlamentswahlen wurden bis zu 800 Mio. Euro pro Tag von den griechischen Banken abgezogen. Die Kapitalflucht geschehe nicht aus steuerlichen Gründen, sondern aus Verunsicherung über die weitere Entwicklung.
Stephan Schulmeister, Wifo-Ökonom
Er sieht die "unregulierten Finanzmärkte" als Hauptproblem, Griechenland sei ein Symptom dieser Entwicklung. Ein Währungsraum und "völlig freie Finanzmärkte" würden nicht zusammenpassen. "Die Politik muss wieder Kontrolle über die Zinsentwicklung bekommen", betonte der Ökonom. Wenn die Politik nicht schnell dazulerne und etwa Eurobonds einführe, werde man in eine wirtschaftliche Depression wie im Jahr 1929 schlittern. "Es ist ein Wettlauf mit der Zeit", so Schulmeister. Die europäischen Politiker müssten Nachhilfe bei US-Ökonomen nehmen. Die Limitierung des Euro-Rettungsschirms auf maximal 800 Mrd. Euro im Kampf gegen die Finanzmärkte sei sinnlos. "Man kann volles Rohr schießen, oder es gleich lassen."
Peter Brezinschek, Raiffeisen-Chefanalyst
Er sieht im Ausgang der Griechenland-Wahl eine gewisse Beruhigung, dass jene Kräfte gewählt wurden, die sich zu einem konstruktiven Dialog mit Europa bekennen. Für die Märkte sei es ein Luftholen, sagte Brezinschek. Griechenland brauche ein neues Geschäftsmodell. Eine zentrale Rolle für die Eurozone komme nun dem EU-Gipfel Ende Juni zu.
Christian Keuschnigg, IHS-Chef
Der neue IHS-Chef glaubt zwar, dass durch die Wahlen "die Voraussetzungen für die Entstehung einer handlungsfähigen griechischen Regierung gewachsen sind". Zur Nagelprobe werde aber werden, ob die neue Regierung die von ihren Vorgängerinnen zugesagten Strukturreformen umsetzen wird. Angesichts der Tatsache, dass der griechische Staat auf die Hilfe von EU, Euro-Rettungsschirm EFSF und EZB angewiesen sei, "gibt es keinen anderen Weg", sagte Keuschnigg. "Zumindest, wenn die Griechen in der Eurozone bleiben wollen." Athen müsse seinem "Commitment" nachkommen.
Karl Aiginger, Chef des Wifo
Die künftige griechische Regierung darf sich nicht auf die arithmetische Mehrheit verlassen, sondern "muss Veränderungen signalisieren", sagt Aiginger. Deswegen sollten "Junge unter 40, Frauen und und erfolgreiche Auslandsgriechen" die Regierung dominieren und auch eine weitere Partei solle von der ND ins Boot geholt werden. Speziell die Jüngeren fühlten sich von den traditionellen Parteien nicht wirklich vertreten und hätten aus diesem Grund Alexis Tsipras von der Syriza gewählt. "Die Mehrheit der Griechen hat gesagt: 'Wir wollen nicht aus dem Euro herausgehen', sie hat aber nicht gesagt: 'Die Reformen sollen so stattfinden, wie das bisher geplant war", sagte Aiginger
Friedrich Mostböck, Erste-Group-Chefanalyst
Die Ergebnisse der Griechenland-Wahl mit einer Mehrheit für die Euro-Befürworter ist nach Einschätzung von Mostböck für die Finanzmärkte positiv und kurzfristig entlastend, die Probleme blieben aber dieselben. Es sei es nun wahrscheinlich, dass eine Regierung gebildet werden könne. Bis man aber mit einem Sparkurs aus der Rezession kommen könne, werde es zumindest zwei Jahre dauern, erwartet Mostböck. Wichtig sei in Griechenland die Bekämpfung der Korruption und die Einhebung der Steuern. Nur mit einem Sparprogramm alleine komme Griechenland nicht aus der Krise heraus, man müsse auch über Wachstumsimpulse nachdenken.
Ewald Nowotny, EZB-Ratsmitglied und OeNB-Gouverneur
Nowotny hofft nach den Parlamentswahlen in Griechenland rasch auf eine neue kompetente Regierung in Athen. Es gebe "die Hoffnung, dass es bald zu einer Regierung kommt, die ein kompetenter Gesprächspartner ist", meinte Nowotny in einer ersten Reaktion. Die Regierungsbildung möge "rasch erfolgen, weil in Griechenland ein "neuer Finanzbedarf besteht. Für die Abdeckung des Finanzbedarfs sind rasch Gespräche mit der EU, der EZB und dem IWF zu führen", wird der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) zitiert.
Stefan Bruckbauer, Bank-Austria-Chefvolkswirt
Das Ergebnis der Griechenland-Wahl ist nach Ansicht von Bank-Austria-Chefvolkswirt positiv, denn es brachte keinen zusätzlichen Stressfaktor und keine zusätzlich schwierige politische Situation. An der grundsätzlich weiter schwierigen Lage ändere sich dadurch aber nichts, weder in der Eurozone noch in Griechenland, sagte Bruckbauer. Wichtig sei es, die Probleme in der Eurozone rasch in den Griff zu bekommen. Er nennt dabei die Stichworte Fiskalunion, Bankenunion und Eurobonds. Derzeit gebe es viele Ideen und gute Vorschläge aber wenig Zeichen einer klaren politischen Willensbildung. Wichtig sei eine klar Strategie in Richtung Fiskalunion, an deren Ende Eurobonds stehen müssten. Davor seien aber Zwischenlösungen nötig wie etwa kurzfristige Bonds oder auch ein Schuldentilgungsfonds. Eurobonds würden Vorteile für alle bringen.