Missbrauch: Wilhelminenberg-Endbericht verzögert sich

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Kommission zur Klärung der Vorwürfe im Kinderheim Wilhelminenberg beklagt „Erinnerungslücken“ bei früheren Heimangestellten. Bei anderen wiederum sei aus Datenschutzgründen bisher noch keine Akteneinsicht erfolgt.

Wien/KB. Der Endbericht der Kommission zur Klärung der Vorwürfe im früheren Wiener Kinderheim Wilhelminenberg wird sich verzögern. Aus bisherigen Gesprächen mit Angestellten „konnte nicht allzu viel gewonnen werden, weil die Erinnerungen lückenhaft geschildert werden oder fehlen“, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht der Kommission unter der Leitung von Richterin Barbara Helige.

„Zudem haben sich bis auf wenige Personen keine weiteren Bediensteten gemeldet, obwohl bereits mehrere öffentliche Aufrufe erfolgten“, beklagt Helige im Gespräch mit der „Presse“. Bei anderen Mitarbeitern komme es zu Verzögerungen. Die MA 2 (Personalservice) müsse erst die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen prüfen. Die Unterlagen würden erst im Laufe des Monats zugänglich gemacht werden. „Mit einem endgültigen Bericht ist daher nicht wie geplant Ende 2012, sondern im ersten Quartal 2013 zu rechnen.“

Dennoch zeigt sich Helige mit dem Arbeitsfortschritt zufrieden. „Personalakten sind nun einmal sensible Daten, ich habe Verständnis dafür, dass sie nicht so ohne Weiteres ausgehändigt werden“, so die Richterin. „Und obwohl die Angaben der ehemaligen Heimkinder schlüssig und nachvollziehbar sind, möchten wir in unsere finale Beurteilung auch die Sicht der Angestellten zur Gänze einbinden.“
Die Kommission wurde im Dezember 2011 eingerichtet, um zu prüfen, ob im Heim Wilhelminenberg systematischer Missbrauch stattgefunden hat. Untersucht wird der Zeitraum von 1948 bis zur Schließung der Anstalt im Jahr 1977. Im Raum stehen unter anderem die Vorwürfe zweier Frauen, die von Kinderprostitution und Serienvergewaltigungen berichteten.

„Bild wird immer konkreter“

Mit den beiden steht die Kommission mittlerweile in Kontakt, Helige: „Die Gespräche mit den Damen sind noch nicht abgeschlossen. Wir werden sie noch weiter befragen.“ Details über die Inhalte könne sie nicht verraten, aber das sich nach ihren Vorwürfen abzeichnende Bild der Geschehnisse werde „immer konkreter“. „Grundsätzlich ist jede Dimension eines Missbrauchs, mit dessen Folgen die Opfer ihr Leben lang zu kämpfen haben, schrecklich. Und dass Missbrauch stattgefunden hat, steht außer Zweifel.“

Insgesamt hat das Gremium bisher 74 ehemalige Heimkinder und 15 Angestellte befragt. Die in den Interviews berichtete brutale physische und psychische Gewalt, der sexuelle Missbrauch und die systematische Demütigung der Kinder seien Vorwürfe, die sich nicht auf Wilhelminenberg beschränken, lautet eine Schlussfolgerung im Bericht. Laut Helige wurden die Anstalten Hohe Warte, Hütteldorf und Biedermannsdorf besonders häufig genannt. Beim Heim Wilhelminenberg werde jedenfalls in die Tiefe geforscht, „eben, weil die Vorwürfe so monströs waren“. Aus den Gesprächen mit Heimkindern konnten zahlreiche Erzieher, Lehrer sowie weiteren Beschäftigte ermittelt werden. „Jetzt gehen wir aktiv auf die Personen zu, wir haben Namen.“

Generell sei aber die Quellenlage nicht optimal, da es keine Kinder- und Personallisten vom Wilhelminenberg gebe: „Das heißt, man muss die Personen, die dort als Kinder gelebt und als Erzieher gearbeitet haben, teilweise auf sehr großen Umwegen und mit dem Versuch, kreativ zu forschen, herausfinden.“

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