Die neue Athener Regierung aus Konservativen und Sozialisten darf einen Aufschub für die Budgetsanierung erwarten. Das erhöht die Kosten für die anderen Euroländer um einige Milliarden.
Brüssel. Noch steht die neue griechische Regierung aus Konservativen und Sozialisten nicht, doch ein Zugeständnis ihrer europäischen Geldgeber ist bereits so gut wie sicher. Griechenland wird mehr Zeit für die Sanierung seines Haushaltes bekommen. Und das wird den Preis der zweiten Rettungsaktion um einige Milliarden erhöhen.
Sofern der designierte neue Ministerpräsident Antonis Samaras rasch eine Koalition seiner konservativen Nea Dimokratia mit den Sozialisten der Pasok bildet, sähe der Ablauf dieser Anpassung des Griechen-Hilfspakets so aus: Sobald die neue Athener Regierung im Amt ist, reist die „Troika“ aus Vertretern von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) auf schnellstem Weg nach Athen. Dort prüft sie, welche zusätzlichen Lücken im griechischen Staatshaushalt während des rund dreimonatigen Wahlkampfes entstanden sind, als alle Reformen erstarrt sind.
Zwei Jahre Verlängerung
Gleichzeitig müssen die Troika-Fachleute ermessen, welche zusätzlichen Kosten dadurch entstehen, dass Griechenland seine ursprünglich versprochenen Ziele zur Senkung der Neuverschuldung um zwei oder drei Jahre später erreicht. Die vorherige Regierung hat versprochen, das Defizit im Jahr 2014 auf 2,2 Prozent zu drücken (heuer soll die Neuverschuldung bei 7,3 Prozent liegen). Sowohl Samaras als auch der Chef der Sozialisten und bisherige Finanzminister, Evangelos Venizelos, haben eine solche Erstreckung während der Wahlkampagne verlangt. Zustimmen müssen ihr die Finanzminister der Euroländer und der IWF.
„Ein ordentlicher Batzen“
Wie viel diese Streckung der Budgetsanierung kostet, ist derzeit noch offen. Die Nachrichtenagentur Dow Jones nannte am Montag unter Berufung auf anonyme Athener Regierungsquellen 16 Milliarden Euro. „Solche Zahlen kann man momentan wirklich nur ungefähr schätzen. Auf jeden Fall ist es ein ordentlicher Batzen“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Guntram B. Wolff vom Brüsseler Thinktank Bruegel zur „Presse“. Zur Erinnerung: Das zweite Griechenland-Paket aus günstigen Krediten der Euroländer und des IWF umfasst 130 Milliarden Euro bis einschließlich des Jahres 2014.
Doch dass mehr Zeit für Athen auch höhere Kosten für seine Gläubiger bedeutet, ist eindeutig. Das liegt daran, dass Athen dann noch länger als bisher erwartet Primärdefizite hinlegt, sprich: Aus seinen laufenden Steuereinnahmen die laufenden Staatsausgaben nicht bezahlen kann, selbst wenn man die Zahlungen der Zinsen für angelaufene Altschulden ausklammert.
„Solange es ein Primärdefizit gibt, bedeutet automatisch eine Streckung von fiskalischen Zielen, dass es einen zusätzlichen externen Finanzierungsbedarf gibt. Das sollte man der Ehrlichkeit halber dazusagen“, sagte am Montag Jörg Asmussen, der deutsche Vertreter im Direktorium der EZB.
Primärdefizit höher als erhofft
Allerdings fügen sich auch die Befürworter einer harten Linie in die Einsicht, dass die Griechen den derzeitigen Sparplan angesichts der desaströsen Rezession nicht erfüllen können. Heuer soll Griechenland zum Beispiel ein Primärdefizit von knapp zwei Milliarden Euro vorlegen.
Doch schon in den ersten drei Monaten dürfte es bei 1,7 Milliarden Euro liegen, schätzt man bei Bruegel. „Keiner glaubt daran, dass die Griechen das allein schaffen“, sagte der Ökonom Wolff. „Griechenland kann nicht überfordert werden“, gab am Montag der deutsche Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) auf ARD zu bedenken.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2012)