OECD verzweifelt an Korruption in Griechenland

(c) AP (Petros Giannakouris)
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Die in Paris ansässige Organisation weist auf Löcher in der Gesetzgebung und mangelnde Motivation der Behörden hin. Griechische Bestechungsversuche im Ausland werden demnach kaum geahndet.

Wien. Dass die Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihren Länderberichten mahnende Töne anschlagen, ist nichts Ungewöhnliches – schließlich versteht sich der in Paris ansässige Klub der Industrienationen als Wächter der freien Marktwirtschaft und Mentor in Sachen Strukturreformen. Doch die Wortwahl im jüngsten Report zur Lage der Bekämpfung von grenzüberschreitender Korruption in Griechenland ist von einer ganz anderen Qualität. Der am Mittwoch veröffentlichte Bericht vermittelt de facto nur zwei Gemütszustände: Unglauben und Verzweiflung.

Fehlende Übersetzungen

Zusammenfassen lässt sich der Bericht des irisch-südkoreanischen OECD-Forschungsteams wie folgt: Griechenland ist nicht in der Lage, die Korruption einzudämmen. Wobei diese Schlussfolgerung nur bedingt möglich war, denn mangels Kooperation in Athen konnten sich die Berichterstatter kein genaues Bild von der Lage machen – es fehlte schlicht und ergreifend an ins Englische übersetzten Gesetzestexten und statistischem Material. „Griechenland hat zahlreiche Fragen nicht beantwortet, und viele der gegebenen Antworten waren nicht zufriedenstellend“, heißt es trocken. Eine weitere Evaluierung müsse daher vorgenommen werden. Wann dies geschehen soll, werde bis Juni 2013 entschieden.

Besorgt zeigen sich die Studienautoren vor allem über die offensichtliche Unfähigkeit bzw. den Unwillen der Behörden, griechische Bestechungsversuche im Ausland in den Griff zu kriegen – als Paradebeispiel gilt der Fall Magyar Telekom. Der ungarische Konzern soll sich 2005 bis 2006 mit tatkräftiger Unterstützung dreier Griechen Geschäftsvorteile in Mazedonien erkauft haben. Laut OECD sollen dabei „Provisionen“ im Umfang von knapp fünf Millionen Euro geflossen sein.

Athen habe bis Anfang 2012 nichts unternommen, um die mutmaßlichen Mittelsmänner des Deals zu durchleuchten, obwohl der Fall in der Zwischenzeit in den USA aufgerollt wurde, so die Kritik. Die – laut OECD wenig glaubhafte – Ausrede der zuständigen Behörden: Man habe keine Informationen über den Fall erhalten. Einen kritischen Blick werfen die Studienautoren auch auf die Schifffahrtsindustrie, die mit einem Beitrag von knapp sieben Prozent zum BIP einer der Hauptpfeiler der Wirtschaft ist. Die Versuchung sei für die international agierenden griechischen Reeder besonders groß – wohl auch aufgrund der Tatsache, dass Schmiergeldzahlungen in der Branche offenbar als steuermindernd gelten.

Bestechung „aus Profitgründen“

Dieses Phänomen führt schnurstracks zum Katalog der Empfehlung an die griechischen Behörden – einer der Ratschläge ist, die Aufnahme von Schmiergeldern in den Bilanzen explizit zu verbieten. Und was empfiehlt die OECD sonst noch? Zum Beispiel bessere Ausbildung der Richter und Polizeibeamten, für die Korruption im Ausland offenbar als Kavaliersdelikt gilt; weiters höhere Strafen für Täter – und zwar unabhängig davon, ob die Bestechung „aus Profitgründen“ verübt wurde oder nicht (was in Athen einen fundamentalen Unterschied auszumachen scheint) und zu guter Letzt die Übersetzung des OECD-Korruptionshandbuchs ins Griechische.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2012)

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