Russland: Gericht verlängert U-Haft für Kunstaktivistinnen

(c) AP (Misha Japaridze)
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Mitglieder von „Pussy Riot“ bis Ende Juli in Haft. Orthodoxe Kirche wird zunehmend zur Zielscheibe für die Protestbewegung.

Moskau/Est. Je mehr ein Teil der russischen Bevölkerung gegen die Staatsmacht aufbegehrt, umso mehr tritt auch die Konfliktlinie mit der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) zutage. Traditionell in einer Allianz mit den jeweiligen Machthabern verbunden, findet sich die ROK in mehreren Konflikten mit Zivilgesellschaftsvertretern wieder. Dies umso mehr, als „die Kirchenführung praktisch Anspruch auf die Konzeption einer neuen offiziellen Ideologie erhebt“, wie das Moskauer Zentrum für Politische Technologien in einer Analyse schreibt.

In einem der Konflikte wurde gestern ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ein Moskauer Gericht hat verfügt, dass die drei Aktivistinnen der feministischen Punkrock-Gruppe „Pussy Riot“, die wegen ihres Auftritts in der Christus-Erlöser-Kathedrale seit März in Untersuchungshaft sind, bis 24. Juli hinter Gittern bleiben. Ihnen droht eine mehrjährige Haftstrafe wegen „Rowdytums“, weil sie vom Ambo der Kathedrale aus die Gottesmutter um die Vertreibung Putins gebeten haben. Die Kirche wertet die Aktion als Blasphemie. Während Amnesty International die jungen Frauen als Gewissensgefangene führt, forderten 47 Prozent der Russen laut einer Umfrage deren mögliche Verurteilung zu sieben Jahren Haft. Seither hat Putin die Daumenschrauben angezogen, weshalb gestern namhafte Kulturvertreter, die für die Freilassung der Frauen demonstriert haben, selbst festgenommen worden sind.

Nicht zu Festnahmen, aber zu einem Aufschrei in der Kirche hat geführt, dass nun bei der jährlichen Verleihung des Antipreises für zweifelhafte Errungenschaften ROK-Patriarch Kirill den „Silbernen Stiefel“ zuerkannt bekam. Und zwar als Privatperson, weil er bei einem Besuch in der Ukraine mit einer 30.000 Dollar teuren Breguet-Uhr fotografiert wurde, die auf der offiziellen Site der Kirche später wegretuschiert wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2012)

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