Wie wirkt sich die Krise auf unser Geldsystem aus? Der ORF fragte eine sehr heterogene Runde, ob wir bald zum Sparstrumpf zurückkehren.
Für Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister ist die Euro-Krise in erster Linie eine Vertrauenskrise: "Das 'Sich-Sorgen-Machen' ist ein Feind des Wirtschaftssystem", sagte er am Mittwochabend im "Club 2". Wenn alle aus Angst vor der Krise das Geld sparen anstatt investieren würden, "produzieren sie die Krise". Für den deutschen Survival-Shop-Besitzer und Buchautor Gerhard Spannbauer ist das Hauptproblem ein völlig anderes: "40 Prozent leben in Deutschland von Zuwendungen. Wie soll ich mit so einer Bevölkerung vorankommen?"
Dass bald auch Wien und Berlin die Auswirkungen der Krise zu spüren bekommen, daran hat er keine Zweifel. Seine Schlussfolgerung: Es braucht mehr Eigenverantwortung. Diese sei in der modernen Gesellschaft oft verloren gegangen: "Meine Oma wusste, dass es ihr schlecht geht, wenn sie nicht arbeitet. Heute meinen die Leute, sie haben das Recht auf einen Flat-Screen".
Moderatorin Renata Schmidtkunz bringt die Diskussion auf eine höhere Ebene. "Ist das Geldsystem auf Sand gebaut?", will sie wissen. Laut Presse-Wirtschaftsjournalist Nikolaus Jilch, wurde das "Geldsystem dereguliert, indem es vom Gold gelöst wurde". In der Euro-Zone würden wir daher nun vor einem großen Problem stehen: "Alle wollen unbedingt an die Druckerpresse der EZB und damit die wichtigste Grundlage der Zentralbank abschaffen" - nämlich, dass diese Staaten nicht finanzieren dürfe.
»"Meine Oma wusste, dass es ihr schlecht geht, wenn sie nicht arbeitet. Heute meinen die Leute, sie haben das Recht auf einen Flat-Screen"«
Gerhard Spannbauer
Schulmeister, der an dem Abend wohl am häufigsten am Wort war, sieht das anders. Staatsanleihenkäufe zumindest durch den Euro-Rettungsschirm ESM - den Survival-Shop-Besitzer Spannbauer als undemokratisches "Teufelswerk" bezeichnet - seien eine Notwendigkeit. Schließlich würden Spekulanten seit Oktober 2010 gezielt gegen einzelner Länder wetten: "Ich sitze im Trading-Room. Ich weiß, wie schnell sie lernen".
Das Hauptproblem ist laut Schulmeister die Dominanz der Finanzwirtschaft gegenüber der Realwirtschaft. Heute seien "die Ackermanns die großen Chefs". Die Industriemanager wurden sich den "unproduktiven" Bankern unterordnen. Das sei in den 1960er Jahren, in Zeiten der boomenden Wirtschaft, nicht der Fall gewesen. Nun würde der Staat nach der Pfeife der "manisch-depressiven" Märkte tanzen und nicht umgekehrt.
Das "chinesische Wunder" sei schließlich auch nur möglich, da die Zinsen vom Staat reguliert werden und so keine Spekulationen möglich seien. Man müsse wieder zu realen Werten zurückkehren - sich dafür aber nicht vom Papiergeld verabschieden. Nur so könne ein Wirtschaftsaufschwung wie jener in China unterstützt werden.
»„Ich sitze im Trading-Room. Ich weiß, wie schnell sie lernen"«
Stephan Schulmeister
Ob China wirklich ein gutes Beispiel sei, fragt sich daraufhin Presse-Redakteur Jilch. Politische Eingriffe würden immer nur neue Probleme erzeugen, die dann wieder gelöst werden müssten. Sein Fazit: "Es läuft darauf hinaus, dass sich das Währungssystem verändern wird" - hin zu realen Werten. Denn Private würden ohnehin in Sachwerte flüchten und auch "die Zentralbanken tendieren in Richtung Gold". Jilchs Fazit: Man solle sein Geld in allem anlegen, "was man angreifen kann". Das heißt auch: Keine Goldzertifikate - sondern Goldmünzen.
Sozialpsychologin Angelika Kofler vom GfK, hat wohl nicht ganz unrecht, wenn sie davon spricht, dass es in der Diskussionsrunde "keinen gemeinsamen Nenner gibt", was man eigentlich unter der Euro-Krise versteht. So wird laut der Politikwissenschaftlern Gabriele Michalitsch derzeit ein "politischen Kampf um die Rolle des Finanzkapitals" ausgetragen. "Das hilft mir als Familienvater jetzt recht wenig", entgegnet Spannbauer. Dass wir immer noch auf hohem Niveau jammern, resümiert Kofler. Nur langsam würden die Menschen aufwachen und merken, "dass es kein Geburtsrecht ist, dass es uns gut geht".
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(Red.)