Kunst in der Stadt: Höhenflug im Porsche

Am Volkertplatz integrierten sich zehn Kunst-Interventionen.

Aufgeregt laufen Menschen zusam men, die zuvor auf den massig auf gestellten Bänken und Tischen am Volkertplatz in Wien Leopoldstadt getratscht, gegessen, gespielt haben, viele Frauen mit Kopftüchern, viele Kinder, die Männer kommen aus dem Beisl dazu. Ein leichter Autounfall, ein Rettungsauto kommt. Kein Blick dieser Menschentraube fällt auf die Zeichen am Beton vor ihren Füßen, wo Parkplätze mit einem Kreuz, mit Stern und Sichel, mit Ying/Yang, mit einem buddhistischen Rad markiert wurden. Reserviert jeweils nur für eine bestimmte Religionszugehörigkeit? Für eine bestimmte Ethnie? Ja, wäre das nicht ein Skandal?

Nein, Kunst. Noch dazu recht mutige. Für sieben Wochen hat die tschechische Künstlergruppe "Kamera skura" 30 Parkflächen rund um das Volkertplatz-Viertel derart markiert, wollte u. a. auf die nur scheinbar freie Verfügbarkeit immer rarer werdender Parkflächen aufmerksam machen. Erregt hat diese Zuteilung im multikulturell bevölkerten Grätzel aber niemanden sonderlich, erzählt Roland Schöny, einer der Kuratoren von "Geschichte(n) vor Ort", einem mit 120.000 € von der Stadt Wien und 80.000 € von der EU geförderten Kunstprojekt im öffentlichen Raum.

Auch die übrigen der zehn, noch bis Ende Juli erlebbaren Installationen und Eingriffe, wurden nicht boykottiert oder zerstört. Ein Zeichen von Akzeptanz und Verständnis? Oder von Desinteresse? An den wöchentlichen Führungen Schönys nahmen erst 50 Personen, dann 30, dann zehn - und einmal nur die Rezensentin teil. Durch die EU-Förderung muss die Wahrnehmung gemessen werden - das Ergebnis wird interessant.

An Information und Engagement jedenfalls mangelte es nicht. Ein eigens eingerichtetes Info-Straßenlokal am Volkertplatz teilt man sich mit einer Gruppe Grazer Architekten. Nur ein Zeichen der neuen Attraktivität dieses so sonderbar abgegrenzten Viertels - auf der einen Seite stößt es an den Augarten, an den anderen auf Schienenstränge von Praterstern und Nordbahnhof.

Anstoß für das von Schöny gemeinsam mit Michal Kolecek und Margarethe Makovec entwickelte Projekt war eine Studie der Soziologin Martina Wäfler, die sie über diese multikulturelle Szene mit ihrer hohen Dichte an Schulen und sozialen Einrichtungen - und der wohl hässlichsten Kirche Wiens - verfasste. 16 Künstler wurden eingeladen, zehn Werke verwirklicht.

Ein Spieletisch vor dem Info-Point etwa gehört schon dazu. Helmut und Johanna Kandl setzten einer Nobelpreisträgerin aus dem Jahr 2045 ein Denkmal. Christina Leko ließ recherchierte Biografien in Schönschrift an Wände malen. Andreas Fogarasis Idee, die Straße zur Rampe anzuheben, landete wegen der hohen Kosten als Modell im Rückfenster eines eigens angekauften, dauerparkenden weißen Porsches. Na ja. Und im "Trafik-Kino" im Jugendzentrum läuft ein von Isa Rosenberger mit Leuten verschiedener Herkunft zusammengestelltes Filmprogramm zum Thema Stadt.

An der Rückseite des wenig charmanten Baus findet sich eine der besten Arbeiten, die auch bleiben darf: "Kurt & Plasto" fotografierten Gegensprechanlagen des Viertels, ein unaufdringliches, vielsagendes Porträt.

Ebenso wie Michael Blums Erforschung der Namensgeschichte der "Heine Straße", die u. a. schon "Schawel Allee" (nach einem Stallbesitzer), Kaiser Joseph Straße, Schönererstraße (Nazi-Zeit) hie und, jedenfalls nach Blum, in Zukunft "Istiklal Allee" heißen sollte. Nach der westlichsten, sehr trendigen Flaniermeile Istanbuls.

Führungen: jeden Freitag, 18 Uhr, Treffpunkt Infopoint, Volkertplatz 1.

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