Münchens Erzbischof bekennt Mitverantwortung für Missbrauchsaffären.
Wien/München. Einen Tag nach Fronleichnam gingen Schockwellen durch die Welt der katholischen Kirche, und erst recht durch die deutsche. Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising und einer der prominentesten Kirchenfürsten weltweit, hatte Papst Franziskus im keineswegs rücktrittsreifen Alter von 67 Jahren seine Demission angeboten. Kurz vor Pfingsten hatte er den Papst um seine Freistellung gebeten.
In dem Schreiben drückt der gebürtige Westfale und spätere Bischof von Trier, der Ex-Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz und Berater des Papsts, seinen Unmut über den Umgang der katholischen Kirche mit Affären rund um Missbrauchsfälle aus und bekennt seine eigene Mitverantwortung. Zuletzt waren das Bistum Köln und Kardinal Rainer Maria Woelki wegen Vertuschung sexueller Gewalt von Priestern in die Schlagzeilen geraten. Zwei Bischöfe traten zurück, zwei weitere boten ihren Rücktritt an.
Kirche an einem „toten Punkt“
Der Marx-Text birgt Brisanz. „Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten.“ Die Untersuchungen offenbaren „viel persönliches Versagen“, aber „auch institutionelles oder systemisches Versagen“. Die Kirche, formuliert er, sei an einem „toten Punkt“ angekommen.
„Ich will zeigen, dass nicht das Amt im Vordergrund steht, sondern das Evangelium.“ Er habe sich seit Längerem mit einem Amtsverzicht getragen. Ostentativ verzichtete er jüngst auf die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz. Sein Rücktrittsgesuch steht womöglich im Zusammenhang mit einem Gutachten über Missbrauchsfälle im Bistum München. (vier)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2021)