China und Taiwan: Wiedervereinigung bis 2049?

Das Militär spielt auf. Der Nationale Volkskongress beschloss die Aufstockung des Außenpolitikbudgets.
Das Militär spielt auf. Der Nationale Volkskongress beschloss die Aufstockung des Außenpolitikbudgets.APA/AFP/NICOLAS ASFOURI
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Chinas Staatschef setzt außenpolitisch auf Stärke. Das stellt Peking mit Militärmanövern vor der taiwanesischen Küste unter Beweis. Doch auch US-Präsident Donald Trump sorgt für Verstimmungen in der Region.

Wien/Peking/Taipeh. Es brodelt an den beiden Seiten der Taiwanstraße. Zum zweiten Mal in einer Woche entsandte Taiwan am Montag Militärjets, um Flugzeuge der chinesischen Streitkräfte aus dem Luftraum vor der Insel zu geleiten. Bereits vergangenen Dienstag hatte Taiwan eine chinesische Flugzeugträgergruppe, die die enge Formosastraße passiert hatte, abgefangen. China habe mehrere Bomber, Kampfjets und Transportflugzeuge an Taiwan vorbeigeschickt, sagte das taiwanesische Verteidigungsministerium in Taipeh.

Am anderen Ende der 180 Kilometer breiten Meerenge, auf dem chinesischen Festland, bewarb die Luftwaffe das militärische Muskelspiel. Die groß angelegten Übungen, die vorbei an Japan über das Südchinesische Meer und den Westpazifik führten, hatten bereits am Sonntag begonnen. Sie seien eine direkte Vorbereitung für künftige Kriege, sagte die Militärführung in einer Stellungnahme. So soll die Kampfkraft der Luftstreitkräfte weit entfernt von Chinas Küsten gestärkt werden. Zugleich betonte sie die Rechtmäßigkeit der Übungen nach internationalem Recht.

Das Ausmaß der Manöver sei ungewöhnlich groß, sagte der chinesische Militärexperte Zeng Zhiping der „South China Morning Post“. Doch der Zeitpunkt des Säbelrasselns ist alles andere als überraschend. Vergangene Woche hat Chinas Staats- und Parteichef, Xi Jinping, bei der Abschlusssitzung des Nationalen Volkskongresses seinen Standpunkt klargemacht: Alle Versuche, das Vaterland zu spalten, seien „zum Scheitern verurteilt“ und würden von der Geschichte bestraft werden. China betrachtet die demokratisch regierte Insel Taiwan als abtrünnige Provinz und unbestrittenen Teil seines Territoriums.

Staatsmedien warnen vor Krieg mit USA

Mit der nationalistischen Rede demonstrierte Xi zweifellos seine neue Machtfülle. Chinas Scheinparlament hatte ihm mit einer Verfassungsänderung ermöglicht, lebenslänglich als Staatschef im Amt zu bleiben. Beobachter sehen seine offenen Drohungen an Taiwan als Hinweis darauf, dass er eine Wiedervereinigung Taiwans mit dem Festland verwirklichen wolle. „Xi scheint entschlossen, Taiwan während seiner Amtszeit unter Pekings Kontrolle zu bringen“, sagt etwa Willy Lam, Politologe an der Universität Hongkong, der Nachrichtenagentur AP. Das würde ihn in den Geschichtsbüchern auf eine Ebene mit dem chinesischen Staatsgründer Mao Zedong stellen.

Auch ein Datum für einen möglichen Zusammenschluss steht bereits im Raum: 2049, das 100-Jahr-Jubiläum der Volksrepublik. Bis dahin will das mächtige Staatsoberhaupt den „chinesischen Traum“ verwirklichen und China zu einer Weltmacht erheben. Xi bleiben also noch 30 Jahre Zeit, um sein Ziel zu verwirklichen. So ist es derzeit unwahrscheinlich, dass China seine offizielle Doktrin einer „friedlichen Wiedervereinigung“ aufgeben wird – die Gefahr eines Kriegs mit den USA ist zu groß. Chinesische Staatsmedien sehen das freilich anders. „Das Festland muss sich für eine direkte militärische Konfrontation in der Taiwanstraße vorbereiten“, forderte die „Global Times“, eine Tochterzeitung der offiziellen „Volkszeitung“ vergangene Woche.

Ändert Washington seine Taiwan-Politik?

Mit verantwortlich für die harschen Töne ist US-Präsident Donald Trump. Trotz Warnungen aus Peking hat er Mitte März einen Beschluss des Kongresses unterzeichnet, der Treffen hochrangiger Vertreter aus Washington und Taipeh erlaubt. Damit habe Trump die Ein-China-Politik (die Anerkennung der Führung in Peking als alleinige Regierung) „ernsthaft verletzt“, sagte das Außenamt in Peking. Der Schritt deute auf eine grundlegende Wende in der US-Taiwan-Politik hin, wird in Washington spekuliert.

Es ist nur eine von vielen Maßnahmen, mit denen Trump auf die bestimmtere Außenpolitik Xis reagiert. Vergangenen Freitag schickte die US-Navy einen Zerstörer in umstrittene Gebiete im Südchinesischen Meer. China beansprucht das gesamte Territorium, durch das jährlich Waren im Wert von fünf Billionen Dollar verschifft werden, für sich. Ein vergangene Woche gefasster Beschluss weist gar auf ein noch offensiveres Vorgehen Chinas in den rohstoffreichen Gewässern hin: Peking ordnete die Küstenwache der Militärpolizei unter, die erst kürzlich dem Kommando der Zentralen Militärkommission, einem Parteiorgan, unterstellt worden war. Die Partei hat somit Weisungsmacht über die Seebehörde.

China gründet eigene Agentur für Entwicklungshilfe

Dass die Welt mit einem starken China umzugehen lernen muss, zeigt ein weiterer Trend: Während Trumps Administration ihr außenpolitisches Budget für 2018 um knapp ein Drittel gegenüber 2017 kürzte, schlug China auf dem Volkskongress einen konträren Weg ein. Es stockte sein Budget deutlich, um rund 15 Prozent, auf. Verglichen mit dem Verteidigungsbudget seien die Zuwendungen für die Außenpolitik zwar bescheiden, schreibt das Berliner China-Institut Merics. Doch welche Bedeutung Peking dem Thema beimesse, werde an zwei anderen Maßnahmen deutlich. Fünf ranghohe Politiker sind künftig für die außenpolitischen Geschicke der Volksrepublik zuständig, darunter der ehemalige oberste Antikorruptionsjäger Wang Qishan. Zudem beschloss der Volkskongress die Gründung einer eigenen Agentur, die für die Organisation von Chinas Entwicklungshilfe zuständig sein soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2018)

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