"Wir sind Ihr" statt "Lügenpresse": Wie ein ARD-Papier zum Aufreger wurde

imago/Rüdiger Wölk
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Ein Gutachten sollte helfen, das Image der ARD durch eine neue Sprache zu verbessern. Es kam anders, auch deshalb, weil in dem Papier die private Konkurrenz diffamiert und von „reinen Faktenargumenten“ abgeraten wird.

Berlin. „Die ARD ist von uns, mit uns und für uns geschaffen.“ Sie liefert „Fernsehen ohne Profitzensur“. Ganz anders als die Privaten also. Ein Gutachten sollte helfen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch eine neue Sprache in ein besseres Licht zu rücken - und hat nun das genaue Gegenteil erreicht. Denn um dieses sogenannte „Framing-Manual“ ist eine aufgeregte Debatte entbrannt.

„Geheimpapier: So sollen wir umerzogen werden“, titelte die "Bild"-Boulevardzeitung. Die rechte AfD, zu deren Lieblingsgegnern der öffentlich-rechtliche Rundfunk zählt, empörte sich über die „Propaganda-Fibel“. Die ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab beschwichtigte. Das Papier der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling sei nur ein „Denkanstoß“ und der Titel „Manual“, zu Deutsch: Anleitung, daher unglücklich gewählt.

Gegen eine Veröffentlichung des Dokuments wehrte sich die ARD - Urheberrechtsschutz. Was ihr prompt den Vorwurf einbrachte, dass sie es mit der Transparenz doch nicht so ernst meine. Man ahnt es: Das Papier landete trotzdem als Leak im Netz.

Es geht darin um den Umgang mit rechten Parolen wie „Lügenpresse“. Man sollte sich dagegen keinesfalls mit Sätzen wehren wie: Lügenpresse ist eine Erfindung. Weil der Vorwurf dadurch nicht nur negiert, sondern auch wiederholt wird. Es ist die alte Geschichte: Denken Sie nicht an einen rosaroten Elefanten! Sprachbilder setzen Deutungsrahmen - frames eben. „Staatsfunk“ weckt andere Assoziationen als das in dem Gutachten favorisierte „unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD“. So weit, so profan.

„Kapitalistische Heuschrecken“

Heikel wird es an der Stelle, an der das Papier Beispiele gibt, wie sich „Framing“ gegen die private Konkurrenz einsetzen lässt. Man liest von „Kommerzsendern“ und von „medienkapitalistischen Heuschrecken“ und eben "Profitzensur". Die ARD ging nun auf Distanz zu derlei Vokabular.

Der ORF hatte die Image-Kampagnen „Wir für Sie“ oder "ORF. Wie wir". Das ARD-Papier löst den Unterschied zwischen den mehr als 20.000 Mitarbeitern und den Gebührenzahlern sprachlich nun sogar zur Gänze auf: „Wir sind Ihr“, lautet die Losung. Und: „Wir nehmen jeden ernst – auch Deine Oma.“

Um dieser Gemeinschaft anzugehören, ist eine monatliche Rundfunkgebühr von 17,50 Euro fällig. Wobei man diesen Betrag nicht „bezahlt“. Das wäre ein Unwort. Stattdessen "ermöglicht" man durch einen Beitrag einen freien Rundfunk.

Auch Fakten alleine helfen in der Debatte mit den „Gegnern“ nicht. „Wenn Sie sich gegen die orchestrierten Angriffe verteidigen wollen, dann sollte Ihre Kommunikation nicht in Form reiner Faktenargumente daherkommen“, liest man auf Seite 77. Es brauche einen „moralischen Frame“.

Am Dienstag dann meldete sich die Verfasserin Wehling zu Wort. Die Aufregung versteht sie nicht. Das Papier sei zwei Jahre alt und es seien keineswegs alle Begriffe darin als Empfehlung zu verstehen. Es ging schlicht darum, „die Grundlage zu schaffen für eine Kommunikation, die auf Basis der unbestrittenen Fakten den tatsächlichen Wert der ARD für die Demokratie schon auf den ersten Blick besser erkennbar macht.“

Es sind jedenfalls keine guten Tage für die ARD. Moderator Günther Jauch meinte jüngst, die Öffentlich-Rechtlichen seien nicht so unabhängig und frei, wie sie es sein könnten. Wobei Jauch inzwischen bekanntermaßen auch für einen „Kommerzsender“ arbeitet.

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