Auftakt zum Raketenpoker in Asien

Die USA haben es auf Chinas atomares Mittelstreckenraketenarsenal abgesehen, Peking blockt ab. Kommen deshalb bald US-Raketen in die Region?

Wien/Seoul. Die südkoreanischen Gesprächspartner von US-Verteidigungsminister Mark Esper dürften gestern einige Male geschluckt haben. Denn es war ein bisschen gar viel auf einmal, was die Amerikaner von Seoul verlangen: Südkorea soll künftig viel mehr für die auf seinem Territorium stationierten 28.500 US-Soldaten bezahlen; es soll sich an der US-geführten Marinemission im Persischen Golf zum Schutz der Handelsschifffahrt beteiligen; es soll seinen Streit mit Japan beenden, der bereits die trilaterale Sicherheitszusammenarbeit bedroht; und es soll darüber nachdenken, ob es als künftiger Stationierungsstandort für US-Mittelstreckenraketen infrage käme.

Südkorea hat schon einmal den geballten Zorn Pekings zu spüren bekommen, als es 2016 der Stationierung des US-Raketenabwehrsystems Thaad zustimmte. Es folgten Boykotte und chinesische Sanktionen, die den bilateralen Handel einbrechen ließen.

Als Mark Esper sich vor einer Woche auf den Weg zu einer Rundreise durch Australien und Ostasien machte und verkündete, als Gegenmaßnahme zum wachsenden chinesischen Arsenal an Mittelstreckenraketen suchten auch die USA nach Standorten für Raketen in der Region, reagierte Peking scharf. „Wenn die USA Raketen in diesem Teil der Welt, an der Türschwelle zu China, aufstellen, sind wir zu Gegenmaßnahmen gezwungen“, erklärte der Generalsekretär für Rüstungskontrollfragen im chinesischen Außenamt, Fu Cong. „Ich fordere unsere Nachbarn auf, den USA keine Stationierung von Mittelstreckenraketen auf ihrem Territorium zu erlauben.“ Konkret zeigte er auf Australien, Japan und Südkorea.

Dass die USA am 2. August aus ihrem Vertrag mit Russland über die Verschrottung von atomaren Mittelstreckenraketen (INF-Abkommen) ausgestiegen sind, hat sowohl mit von der Nato behaupteten gravierenden russischen Vertragsverletzungen als auch mit dem ungebremst wachsenden chinesischen Atomraketenarsenal zu tun. Inzwischen besitzt China nach US-Angaben rund 2000 atomare Mittelstreckenraketen. Dieses Arsenal wie auch jenes der Inder und Pakistaner sähen die USA gern bei Rüstungskontrollverhandlungen berücksichtigt.

China zeigt allerdings kein Interesse, sein Raketenarsenal in multilaterale Verhandlungen einzubringen, auch wenn US-Präsident Donald Trump das Gegenteil behauptet. Genauso wenig will es allerdings zulassen, dass die USA als Antwort mit der Stationierung eigener Raketen beginnen, deshalb der Druck auf die Nachbarn. Auf jeden Fall stationieren könnten die USA neue Raketen freilich auf der Pazifikinsel Guam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2019)

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