Hin- und hergerissen: Boris Johnson in New York

Boris Johnsons Agenda war ambitioniert, sein Terminkalender rappelvoll.
Boris Johnsons Agenda war ambitioniert, sein Terminkalender rappelvoll.REUTERS
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Der Premier hatte bei der UNO einen vollen Terminkalender. Doch er war auch als Krisenmanager in London gefragt.

Wien/London. Boris Johnsons Agenda für die UN-Sitzungswoche in New York – sein Debüt auf der Weltbühne – war ambitioniert, sein Terminkalender rappelvoll. Zum Auftakt präsentierte der britische Premier beim UN-Klimagipfel einen Umweltfonds im Volumen von einer Milliarde Pfund. Von größerer Priorität ist allerdings ein Handelspakt mit den USA, der in Grundzügen angeblich vertragsreif ist und den er bis Mitte kommenden Jahres mit US-Präsident Donald Trump abwickeln will.

Und dann ist da noch die Brexit-Frist, die unerbittlich näher rückt: Es bleiben gerade noch ein wenig mehr als fünf Wochen für eine Einigung. Kühl beschied Michel Barnier, der frühere EU-Chefverhandler, die jüngst in Brüssel eingereichten britischen Abänderungsvorschläge für ein Abkommen in der Nordirland-Frage seien inakzeptabel. Der Zweckoptimist Johnson sprach – wie so oft – neuerlich von Fortschritten, dämpfte jedoch die Erwartungen. Ein Durchbruch sei in New York nicht zu erwarten, sagte er. Damit hatte indes ohnehin niemand gerechnet. Alles andere wäre nichts weniger als eine Sensation gewesen.

Vielmehr geht es ihm in New York darum, bei Treffen mit den wichtigsten Staats- und Regierungschef der EU einen möglichen Kompromiss für den entscheidenden Brüsseler Gipfel am 17. und 18. Oktober vorzubereiten. Dazu führt Johnson Gespräche mit Angela Merkel und Emmanuel Macron, mit Leo Varadkar und Mark Rutte, dem irischen und dem niederländischen Premier, mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und dessen designierten Nachfolger Charles Michel. Schließlich könnte auch noch eine Unterredung mit Irans Präsidenten Hassan Rohani auf dem Programm stehen, die Johnsons Selbstverständnis als Weltpolitiker schmeicheln würde.

Wenn das Treffen denn zustande kommt – und wenn die Dringlichkeit der Staatsgeschäfte den Premier nicht vorzeitig aus seiner Geburtsstadt New York nach London zurückrufen sollte. Nicht nur die Pleite des Reiseriesen Thomas Cook, die das Krisenmanagement des Regierungschefs erfordert, ist zur Unzeit ausgebrochen.

Zerrissenheit der Labour Party

Für Dienstagvormittag hat der Oberste Gerichtshof in London zudem sein Urteil über die Rechtmäßigkeit der Zwangspause für das Unterhaus avisiert. Der Spruch Brenda Hales', der Vorsitzenden des Supreme Court, namens der elf Richter bringt Boris Johnson nach einer Niederlagenserie im Parlament weiter in die Bredouille. Der Premier war umgehend mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, die Gegner innerhalb und außerhalb seiner Partei sehen sich in ihrer Kritik an der umstrittenen Entscheidung Johnsons bestätigt.

Johnsons Rivale Jeremy Corbyn hat selbst wenig Grund zum Jubeln. Beim Parteitag in Brighton führt seine Labour Party gerade ihre Zerrissenheit vor, die sich nicht zuletzt in der Brexit-Frage widerspiegelt. Der Labour-Chef gab vor einer Abstimmung die Devise aus, ein neues Brexit-Referendum erst nach einer eventuellen Neuwahl im kommenden Jahr abzuhalten und vorerst Neutralität zu üben. Am Abend stimmten die Delegierten zwar für Corbyns Kurs. Doch führende Labour-Politiker wie sein Vize Tom Watson treten offen dagegen auf. Sie fordern, sich schon jetzt festzulegen. Es brodelte in Brighton, die Partei gibt ein wenig vertrauenerweckendes Bild ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2019)

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