Ein Selfie der jungen Leonora aus Sachsen-Anhalt. Kurze Zeit später schloss sie sich dem sogenannten Islamischen Staat an.
Radikalisierung

Leonoras Weg in den IS

Ein 15-jähriges Mädchen aus Sachsen-Anhalt radikalisiert sich im Internet und setzt sich nach Syrien ab. Was dies für die Hinterbliebenen bedeutet, schildert nun ihr Vater, Maik Messing.

„Also mir geht es sehr, sehr, sehr gut.“ Leonora hat ausgesprochen gute Laune. Acht Tage nach ihrem plötzlichen Verschwinden sendet sie ihrem Vater eine heitere Sprachnachricht via WhatsApp. Leonora erzählt von einer großen Wohnung, die sie selbst eingerichtet habe, in der Farbe Lila gehalten. „Wir haben hier auch keine Sofas, so wie in Deutschland“, sagt sie, „wir haben hier so Kissen, wie so Sitzecken“.

Als Maik Messing die Nachricht abhört, hat er schon eine Ahnung, dass seine Tochter nach Syrien gegangen ist, sich dem sogenannten Islamischen Staat (IS) angeschlossen hat. Denn zwei Tage zuvor schickte ihm ein gewisser Nihad Abu Yasir eine Nachricht. „Ihrer Tochter geht es gut, Gott sei Dank. Sie ist angekommen im Dawlatul Khalifa (Kalifatsstaat, Anm.).“ Und so sollte der Betreiber mehrerer Bäckereien im Frühjahr 2015 vom „Ehemann“ seiner 15-jährigen Tochter erfahren.

Aus dem Teenager Leonora, die auf YouTube gern Schminkvideos verbreitete, war die Drittfrau eines hochrangigen Terroristen geworden, der im berüchtigten Geheimdienst des IS anheuerte. Nihad Abu Yasir, eigentlich Martin Lemke, ist, wie Leonora auch, ein Konvertit aus Ostdeutschland. Heute befindet er sich in kurdischer Gefangenschaft in Nordsyrien, Leonora selbst wartet im riesigen Camp al-Hol, ebenfalls im Norden des Bürgerkriegslandes, mit ihren beiden Kindern auf die Rückholung.

»Es ist nichts Normales mehr in unserem Leben, seit unsere Tochter gegangen ist.«

Maik Messing

Maik Messing sagt: „Es ist nichts Normales mehr in unserem Leben, seit unsere Tochter gegangen ist. Das kann man sich alles gar nicht ausdenken.“ Heute weiß er, dass seine Tochter eine Art Doppelleben geführt, diese beiden Welt minutiös voneinander getrennt hat. Hinweise, Anzeichen, konkrete Schritte erfuhr Messing erst nach dem Verschwinden seiner Tochter. Dass sie sich in einschlägigen Chatforen und WhatsApp-Gruppen aktiv beteiligte. Dass sie heimlich nach Frankfurt am Main fuhr, um eine hochradikalisierte Moschee zu besuchen. Dass sie eine eigene Packliste für das „Kalifat“ erstellt hatte. Dass sie Kontakt zum Umfeld Lemkes alias Abu Yasirs pflegte. Offen zu ihrem Vater war Leonora nur mit einer Sache: Sie interessierte sich für den Islam.

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