Die Eurozone ist der größte Goldbesitzer der Welt

Reserven. Mit mehr als 10.000 Tonnen halten die Euroländer mehr Gold als Amerika, Russland oder China. Die Geschichte des Euro ist eng mit der europäischen Vorliebe für das Edelmetall verbunden.

Wien. Es ist im Grunde immer dieselbe Leier, wenn die Größe der internationalen Goldreserven aufgelistet wird. Platz eins, mit Abstand: die USA (mehr als 8000 Tonnen); Platz zwei: Deutschland (rund 3300 Tonnen); Platz drei: Italien (rund 2400 Tonnen).

In Zeiten der Globalisierung sind nationale Goldreserven aber kein Maßstab mehr. Erst recht nicht in der Eurozone, wo mittlerweile 19 unterschiedliche Nationalstaaten ihr Kräfte bündeln – auch in Form von Gold. Würden die Reserverankings nach Währungsraum durchgeführt, ergibt sich plötzlich ein ganz neues Bild. Platz eins: Europa, mit Abstand (rund 10.700 Tonnen). Und mit jedem neuen Euromitglied kommt ein bisschen Gold dazu.

Die Beziehung des Euro zum Gold wird seitens der Notenbanken selten besprochen. Nach der Abschaffung der letzten Reste des Goldstandards 1971 wird das Metall auch von den meisten Ökonomen als „barbarisches Relikt“ betrachtet, dass in der Währungspolitik keine Rolle mehr spielt. Wer genau hinsieht, wird aber schnell feststellen, dass Gold sehr wohl eine Rolle spielt: als ultimatives Asset, als Versicherung. So zahlt Gold zwar keine Zinsen - aber das hat einen Grund: Es gibt keine Gegenpartei, Gold ist nicht das Zahlungsversprechen eines anderen Landes wie Staatsanleihen. Es ist de facto eine risikolose Wertanlage.

Der Euro hat seit Anbeginn ein sehr spezielles Verhältnis zu Gold. Zu verdanken ist das den Gründerländern Frankreich und Deutschland, deren Bewohner und Institutionen seit langem auf Gold als sicheres Asset setzen. So war es die französische Regierung, die Ende der 1960er-Jahre das Ende der Dollar-Gold-Bindung provozierte, als sie ihre Dollarreserven im großen Stil in Gold tauschen ließ - und dieses Gold dann per Kriegsschiff nach Frankreich bringen ließ.

Später, nach dem Ende der Dollar-Gold-Bindung, wurde dann das zwischenzeitliche Misstrauen der Weltwährung Dollar gegenüber genutzt, um das Projekt „gemeinsame Europäische Währung“ voranzutreiben. Deutschland wiederum ließ erst in den vergangenen Jahren hunderte Tonnen Gold aus New York nach Frankfurt verlagern. Auch Österreich ist derzeit dabei, die Hälfte des staatlichen Goldes (im Gesamtumfang von 180 Tonnen) von London nach Wien zu transportieren. Die offizielle Begründung: Man wolle den Notgroschen einfach griffbereit haben.

Nun ist es richtig, dass sowohl Österreich als auch andere EU-Staaten früher über weit mehr Gold verfügt haben als heute. In den 1990er-Jahren wurde viel verkauft. Aber das ist nur die eine Seite der Geschichte. Die andere Seite: Weil der Goldpreis seit der Euroeinführung sehr stark gestiegen ist, ist die Bedeutung der Goldreserven gegenüber der anderen Währungsreserven gewachsen. Die Euroländer halten heute mehr als 50 Prozent ihrer Reserven in Form des Edelmetalls. Und weil das Eurosystem die Reserven viermal pro Jahr in ihrer Bilanz an den Marktwert anpasst, führen Preiszuwächse beim Gold zu einer Verbesserung dieser Bilanz – und damit indirekt zu einer Stabilisierung der Währung.

Tatsächlich waren es die EU-Notenbanken, die sich im Vorfeld der Euroeinführung darauf geeinigt hatten, in Zukunft immer weniger Gold zu verkaufen und die Verkäufe später ganz einzustellen. Es war dieses erste „Central Bank Gold Agreement“, das dem Goldpreis nach fast 30 Jahren wieder Leben einhauchen sollte. „Gold bleibt ein wichtiger Bestandteil der Währungsreserven“ heißt es in dem Schreiben. Viel deutlicher kann man in der opaken Welt der Notenbanken gar nicht werden.

China nimmt sich Euro zum Vorbild

Längst haben andere reagiert. Vor allem China und Russland fallen immer wieder durch große Gold-Käufe auf – haben mit jeweils rund 1800 Tonnen aber noch viel aufzuholen. Auch machen sie es inzwischen den Europäern nach und bewerten dieses Gold in den Bilanzen der Notenbanken vierteljährlich nach Marktwert.

Aber nicht nur in der Geldpolitik scheinen sich Europa und China einig zu sein. Das Reich der Mitte hat sich die EU auch in Sachen Marktliberalisierung zum Vorbild genommen. So hat Europa kurz vor der Euro-Einführung den physischen Markt für Kleinanleger sehr stark geöffnet. Seitdem gibt es etwa keine Mehrwertsteuer auf Goldmünzen und Goldbarren zu bezahlen, was die Beliebtheit des Metalls bei Sparern vor allem in Mitteleuropa noch vergrößert hat. Nach der Finanzkrise setzte dann ein regelrechter Goldboom ein, der im Grunde bis heute anhält.

AUF EINEN BLICK

Gold ist seit August 1971 kein offizieller Bestandteil des Währungssystems mehr. Damals haben die USA einseitig die Eintauschbarkeit des Dollars in Gold ausgesetzt. Die internationalen Notenbanken setzen allerdings weiterhin sehr wohl auf das Edelmetall bei der Zusammensetzung ihrer Reserven. Manche Länder (wie etwa Österreich) halten mehr als die Hälfte der Reserven in Form von Gold. Die Länder des Eurosystems halten gemeinsam mehr als 10.000 Tonnen Gold. Damit steht hinter dem Euro mehr Edelmetall als hinter irgend einer anderen Währung. Und die Goldreserven werden in der Bilanz der EZB viermal pro Jahr nach Marktwert bewertet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2017)

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