Kurz muss um Gipfel-Erfolg bangen

Bundeskanzler Sebastian Kurz traf zur Vorbereitung des EU-Gipfels Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Élysée.
Bundeskanzler Sebastian Kurz traf zur Vorbereitung des EU-Gipfels Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Élysée.(c) REUTERS (GONZALO FUENTES)
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Der kleinste gemeinsame Nenner zur Lösung der EU-Migrationskrise bleibt ein verstärkter Außengrenzschutz. Aber selbst dazu formiert sich Widerstand im Süden Europas.

Paris. Als die Limousine des Kanzlers im prunkvollen Innenhof des Élysée -Palasts einrollte, schritt Emmanuel Macron, flankiert von der Präsidentengarde, seinem Gast freundlich lächelnd entgegen. Sebastian Kurz und der französische Staatspräsident waren an diesem Montagmorgen um betont gute Stimmung bemüht – wenngleich die Themen ihrer einstündigen Unterredung schwieriger hätten nicht sein können.

Kurz wünscht sich einen deutlichen Fortschritt zur Lösung der Migrationsproblematik beim informellen Salzburger Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am kommenden Mittwoch und Donnerstag. Schon in seinen Vorbereitungsgesprächen wird aber deutlich, wie viele Widerstände hier noch zu überwinden sind. Seit dem Europäischen Rat Ende Juni, als es einen einstimmigen Beschluss zu so genannten Anlandeplattformen außerhalb Europas gab, hat sich wenig getan. Der kleinste gemeinsame Nenner lautet nunmehr: Verbesserter Außengrenzschutz durch die Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, Bekämpfung der illegalen Migration und konsequentere Rückführungen. Das betonten sowohl Kurz als auch Macron vor ihrem bilateralen Gespräch. Auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, die Kurz am Sonntagabend in Berlin besucht hatte, will sich für die Pläne zum Frontex-Ausbau einsetzen.

Angst vor Souveränitätsverlust

Im Süden und Osten der EU ist die Euphorie über dieses Vorhaben freilich nicht so groß: In Italien, Spanien, Griechenland und Ungarn fürchtet man eine Einschränkung der staatlichen Souveränität, sollten Frontex-Beamte wie geplant auch ohne Zustimmung des betreffenden Landes tätig werden dürfen. Der Druck aus dem Rest der EU vor dem Salzburger Gipfel – bei dem wegen des informellen Charakters keine Beschlüsse geplant sind – wird jedoch von Tag zu Tag größer: „Die Südeuropäer sollten die Hilfe akzeptieren“, sagte Kurz im ?lysée. Heute setzt der Bundeskanzler seine Tour durch die EU-Hauptstädte fort und wird nach Rom reisen. Das Thema Frontex wird dort gewiss erneut zur Sprache kommen.

Die Umsetzung der geplanten Anlandeplattformen ist indes bereits auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. Bisher hat sich kein einziges nordafrikanisches Land zur Errichtung solcher Zentren auf eigenem Boden bereit erklärt.

Wohl auch deshalb hatte der Kanzler am Sonntagmorgen kurzfristig den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi in Kairo besucht. Ägypten leiste einen wesentlichen Beitrag in der Migrationsfrage, lobte Kurz: Seit zwei Jahren habe kein einziges Flüchtlingsschiff ägyptische Häfen Richtung Europa verlassen. Doch auch Kairo signalisiert, dass es nicht bereit sei, Zentren für Flüchtlinge auf seinem Territorium zu akzeptieren – das widerspreche der Verfassung, sagte al-Sisi gegenüber „Egypt today“.

Auch die Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU bleibt ungelöst. Während Macron sich weiterhin für eine faire Umsiedlung von Schutzbedürftigen einsetzt, glaubt Kurz nicht daran, dass die Migrationsfrage auf diese Weise gelöst werden kann. Die Umverteilung könne nur auf freiwilliger Basis geschehen, so der Kanzler. Wichtig sei vielmehr, die „Gräben in der EU zuzuschütten“. Besonders zwischen Macron und Ungarns Premier Viktor Orbán, der sich seit jeher gegen eine Verteilung von Flüchtlingen wehrt, ist die Stimmung denkbar schlecht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2018)

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