Gleicher Inhalt, anderer Name? London ringt mit dem Backstop

Premier Johnson (l.) hat sich punkto Backstop in eine Sackgasse manövriert.
Premier Johnson (l.) hat sich punkto Backstop in eine Sackgasse manövriert.(c) APA/AFP/POOL/HENRY NICHOLLS (HENRY NICHOLLS)
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Die britische Regierung legt erstmals ihre Überlegungen zum alternativen Austrittsabkommen schriftlich vor.

Brüssel/London. Ist ein Ausweg aus der Brexit-Sackgasse in Sicht? Diese Frage stellten sich am gestrigen Donnerstag viele Beobachter des Ringens um den Austritt Großbritanniens aus der EU. Neu erweckt wurden die Hoffnungen durch die britische Regierung, die gestern ihre Vorschläge zum Austrittsabkommen nach Brüssel übermittelt hat. Wobei „Vorschläge“ ein zu großes Wort ist, denn bei den Dokumenten handelt es sich um sogenannte Non-Papers – also unverbindliche Diskussionsgrundlagen.

Diese Diskussionen sollen auf Expertenebene am Freitag geführt werden, kündigte die EU-Kommission an. Zugleich werden Michel Barnier, der Brexit-Unterhändler der EU, sowie sein britisches Gegenüber, Stephen Barclay, in Brüssel parlieren. Über den Inhalt der „Nicht-Papiere“ und die Erfolgsaussichten hüllte sich die Brüsseler Behörde in Schweigen. Fest steht jedenfalls, dass die EU bis Ende September belastbare Vorschläge erwartet – ansonsten sei die Scheidung im Unfrieden am 31. Oktober nicht zu vermeiden, ließ der finnische EU-Ratsvorsitz zuletzt wissen.

Die Angelegenheit ist nicht zuletzt aufgrund der britischen Innenpolitik heikel: Mit seinem Versprechen, die Backstop-Klausel für Nordirland aus dem Austrittsvertrag zu kippen, hat sich Premier Boris Johnson in eine Sackgasse manövriert. Der Backstop ist eine Rückversicherung: Sollten Großbritannien und die EU nicht imstande sein, sich auf ein Freihandelsabkommen zu einigen, sorgt er dafür, dass die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland offen bleibt – indem entweder das ganze Vereinigte Königreich oder nur Nordirland wirtschaftlich an die EU gekoppelt bleibt.

Zurück zum Ursprung

Die aktuelle Version des Brexit-Vertrags beinhaltet die große Backstop-Variante. Johnson würde gern zur abgespeckten Nordirland-Variante wechseln. Sein Problem: Auch der Schmalspur-Backstop bleibt ein Backstop – dessen Streichung er den britischen Wählern versprochen hatte.

Möglicher Ausweg ist eine Umbenennung. Die britischen Vorschläge sollen dem Vernehmen nach darauf abzielen, Nordirland zu einer Art Sonderwirtschaftszone zu deklarieren, in der andere Regeln gelten als in Großbritannien – was, je nach Ausgestaltung der Zoll-, Steuer- und Produktvorschriften, dem Backstop gleichkäme, aber anders heißen würde.

Flankieren ließe sich das Manöver durch Verweise darauf, dass London und Brüssel nach dem Brexit genug Zeit hätten, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. In ebendieses Horn stieß Barclay am Donnerstag: Man habe Zeit bis Ende 2020, um sich eine Alternative einfallen zu lassen, sagte der Brexit-Minister. Für die EU gilt allerdings: Der Backstop – oder ein Äquivalent – muss Teil des Brexit-Abkommens bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2019)

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