Ein „Marx-Monstrum“ aus China

Bis zu ihrer Einweihung am 5. Mai, dem 200. Geburtstag von Karl Marx, bleibt die Statue in Trier aus Angst vor Beschädigungen verhüllt.
Bis zu ihrer Einweihung am 5. Mai, dem 200. Geburtstag von Karl Marx, bleibt die Statue in Trier aus Angst vor Beschädigungen verhüllt.APA/AFP/dpa/HARALD TITTEL
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Peking hat der Geburtsstadt von Karl Marx zu dessen 200. Geburtstag am Samstag eine große Statue geschenkt. Doch das Präsent sorgt für große Kontroversen.

Trier/Wien. Man stelle sich vor: Die reiche Erbtante sei zu Besuch und wolle der Familie mit einem Bild ein Geschenk machen, das aber außer ihr niemandem so richtig gefalle. So sei es dem Trier Oberbürgermeister Wolfram Leibe ergangen, als der chinesische Botschafter in Deutschland vor ein paar Jahren ankündigte, China wolle dem Geburtsort von Karl Marx zu dessen 200. Geburtstag am 5. Mai eine Statue schenken, schrieb ein CDU-Lokalpolitiker in seinem Blog.

Der SPD-Stadtchef ahnte wohl, dass das Geschenk der Chinesen die „kommunistischen Gespenster“, die Marx in seinem „Manifest“ beschwor, in der westdeutschen Stadt wieder zum Leben erwecken würde. Monatelang diskutierte die Trierer Bevölkerung über die Marx-Statue: Es ging nicht nur um das politische Erbe des deutschen Denkers, der mit seinen Ideen einen Grundstein für kommunistische Diktaturen wie auf Kuba, in der Sowjetunion und Ostdeutschland gelegt hatte, sondern auch um den Umgang mit dem autoritären China, das sich unter Staatschef Xi Jinping ideologisch auf Marx zurückbesinnt und sein eigenes politisches Modell selbstbewusst in der Welt propagiert. Von einem „trojanischen Pferd“, „Propaganda“, „Marx-Monstrum“, einer „kommunistischen Huldigungsstätte“ war die Rede.

Marx-Ampelmännchen zum Jubiläum

So ist der Designer der 2,3 Tonnen schweren Bronzestatue, der chinesische Staatskünstler Wu Weishan, darauf bedacht, zu betonen: Deutschland selbst habe um das Geschenk gebeten. Mit einem Buch in der linken Hand und in dynamischer Pose stelle er einen der Väter der chinesischen Staatsideologie dar.

Der Bildhauer ist geübt im Geschenke-Entwerfen: Für die Niederländer hat er bereits Königin Beatrix, für die Italiener Leonardo da Vinci und für die Schweizer den Gründer der Olympischen Spiele, Pierre de Coubertin, in Bronze gegossen. Der deutsche Ex-Bundespräsident Johannes Rau soll ihn einmal mit dem bedeutenden französischen Bildhauer Auguste Rodin verglichen haben.

Dass sein Werk diesmal auf mehr Protest stoßen würde, war freilich absehbar. Auch eine chinesisch finanzierte Statue von Marx' Weggefährten Friedrich Engels in dessen Geburtsstadt Wuppertal war heftig diskutiert worden. Dass der Trierer Stadtrat letztlich mit überwältigender Mehrheit seinen Segen gab, ist wohl finanziellen Überlegungen zu schulden: Jährlich zieht die 110.000 Einwohner zählende Stadt 50.000 chinesische Touristen an. 5000 besuchen pro Jahr das Karl-Marx-Haus. Die Stadtregierung schlägt daraus Profit: Anlässlich des Marx-Jubiläums zieren die Ampeln Marx-Männchen, verkaufen Souvenirshops 0-Euro-Banknoten und ist eine neue Marx-Ausstellung geplant.

Polizei bereitet Großeinsatz vor

Der Bronze-Marx wird am Samstag unweit des römischen Stadttors Porta Nigra mit Pomp und hochrangigem Besuch aus China enthüllt. „Karl Marx ist einer der größten Bürger dieser Stadt. Wir sollten ihn nicht verstecken“, sagte Bürgermeister Leibe. Dabei war das offenbar zunächst der Plan gewesen: Vorhaben, die Statue an einem weniger prominenten Ort aufzustellen, wusste Wu aber zu verhindern.

Zumindest bei der Größe war der Künstler zu einem Kompromiss bereit: Statt 6,3 Metern ist sie nun 5,5 Meter hoch. Auch der städtische Baubeauftragte, Andreas Ludwig, weist die Kritik zurück: „Wir wollen Marx nicht glorifizieren, sondern uns kritisch mit ihm auseinandersetzen.“ Man müsse sein Werk von dem trennen, was Lenin, Stalin und Honecker daraus gemacht haben.

Die Polizei bereitet sich für Samstag jedenfalls auf einen Großeinsatz vor: Die Kommunistische Partei und die Linke demonstrieren für Marx, die rechtspopulistische AfD hat einen Schweigemarsch für die Opfer des Kommunismus angekündigt. Ein in der DDR aufgewachsener Trierer will in den Hungerstreik treten. Bis dahin bleibt die Skulptur verhüllt. Sie soll nicht bereits vor dem großen Auftritt verunstaltet werden.

Auch für später hat die Stadt vorgesorgt: Der Bronze-Marx ist gewachst, sagte der Bürgermeister. „Damit man, wenn was passiert, die Farbe wieder runterbekommt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2018)

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