Neustart als Kleinunternehmer: Ex-Soldaten Wolodymyr Kinasch (l.) und Pawlo Kryschtalskij in ihrer „Sandwich-Bar“ in Lemberg.
Neustart für Ex-Soldaten

„Sandwich-Bar“ statt Schießübungen

370.000 Ukrainer sind heute Veteranen. Im Krieg fanden sie sich zurecht, am friedlichen Alltag verzweifeln sie oft. Zwei Männer aus Lemberg erzählen von ihrem Neuanfang.

Wolodymyr Kinasch halbiert ein Baguette, legt Salamischeiben hinein, darauf folgen Essiggurken, ein Tomatenstück, Gouda und eine selbst kreierte Soße, deren Rezept der 38-Jährige mit den leuchtend blauen Augen nicht verrät. Er legt das Sandwich in eine schicke Recycling-Kartonbox – fertig ist der Imbiss. Mit jedem verkauften Brot steht das eigene Business auf festeren Beinen. 50 Stück müssen Kinasch und sein Geschäftspartner Pawlo Kryschtalskij (30) pro Tag verkaufen, damit sich das Geschäft rentiert. Das haben sie ausgerechnet.

Die Männer mieten einen Food-Truck an der Lytschakiw-Straße im ukrainischen Lwiw (Lemberg). Ein einfacher schwarz-roter Waggon, auf dem „Sandwich-Bar“ geschrieben steht. Der Platz ist gut gewählt. In der Nähe liegt der Lytschakiw-Friedhof mit seinen prächtigen Grabmälern, einer der Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die beiden hoffen auch auf die Nachfrage der Studenten der nahen Medizinuniversität. Die Preise sind moderat: Ein Sandwich kostet umgerechnet einen Euro.

Der Food-Truck ist mehr als nur ein Job. Er ist Symbol für einen Neuanfang. Denn die beiden Männer sind mehr als einfach nur Kollegen. Sie haben sich vor fünf Jahren an einem Ort kennengelernt, an dem es keine Zeit für geregelte Mahlzeiten gab, oft nicht einmal Zeit für einen Snack. Sie waren Kameraden im Krieg in der Ostukraine. Stationiert in Pokrowsk, elfhundert Kilometer östlich von Lwiw. Als Sanitäter wurden sie ins Kampfgebiet gerufen, mussten Verletzte versorgen und Tote abtransportieren. Im Jahr 2014 war die Armee schlecht ausgerüstet. Männer verschiedenen Alters und verschiedenster Berufe wurden eiligst eingezogen, andere meldeten sich freiwillig. Bergleute, Ärzte, Köche und Buchhalter sollten plötzlich das Land verteidigen. „Ein Borschtsch aus Menschen“, sagt Pawlo Kryschtalskij in Anspielung auf die ostslawische Suppe, in der Karotten, Kohl, Rote Rüben und Tomaten in einen Topf zusammengeworfen werden. „Ein Babylon der Erfahrungen“, sagt Wolodymyr Kinasch.

Doch auch die Rückkehr nach dem mehrmonatigen Einsatz war alles andere als einfach. Für beide waren die Monate nach dem Abrüsten ruhelos. Kryschtalskij sagt: „Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut, war neben der Spur.“ In seinen früheren Job im Handel wollte er nicht zurück, er suchte etwas Neues, ging für ein paar Monate nach Polen und arbeitete in einer Bäckerei. Ähnlich erging es seinem Freund. „Ich habe vier Jobs gewechselt und fand es überall langweilig. Und es war belastend, den ganzen Tag in vier engen Wänden eingesperrt zu sein.“

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