Russland

Kreml will mit Geldstrafe NGO unter Druck setzen

NGO Memorial könnte Auflösung wegen Nichtkennzeichnung von Agentenstatus im Netz drohen.

Moskau. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial muss seit einigen Jahren den Zusatz „ausländischer Agent“ tragen. Jetzt drohen der Nichtregierungsorganisation hohe Geldstrafen, weil sie aus Behördensicht die aufgrund des Agentengesetzes verbindliche Kennzeichnung nicht in allen Publikationen eingehalten hat. Konkret geht es um Memorial-Seiten in sozialen Medien, etwa auf YouTube, Twitter und dem russischen Facebook, V-Kontakte.

Am Dienstag fand ein weiterer Gerichtstermin in Moskau statt. Die Organisation ist bisher zu einer Geldstrafe von mehr als drei Millionen Rubel, umgerechnet 44.000 Euro, verurteilt worden. Keine geringe Summe. Sollte die Strafe nicht beglichen werden, könnte die NGO aufgelöst werden. Die Aktivisten haben ihre Unterstützer zu Spenden aufgerufen.

Russland hat 2012 ein Gesetz erlassen, dass Organisationen, die Geld aus dem Ausland empfangen, zur Kennzeichnung als „ausländischer Agent“ zwingt. Derzeit sind 74 in Russland registrierte Vereine in dem Register des Justizministeriums eingetragen, darunter sieben Memorial-Verbände (die Organisation hat neben ihrer Moskauer Zentrale in vielen russischen Städten Filialen). Die Nichtregierungsorganisation hat gegen ihre Registrierung geklagt. Ohne Erfolg.

Memorial arbeitet die staatlichen Repressionen der Stalinzeit auf, führt erinnerungspolitische Projekte durch und bietet Rechtshilfe für Bürger. Das Label „ausländischer Agent“ lässt in Russland Assoziationen von politischer Einflussnahme durch den Westen bis hin zu Spionage aufkommen.

Im Verzeichnis des Justizministeriums finden sich neben bekannten Menschenrechtsorganisationen auch unpolitische Vereine aus russischen Regionen, was nahelegt, dass Lokalbehörden das Agentengesetz als Instrument gegen „lästige“ Aktivisten nutzen.

Anfang Dezember hat Präsident Wladimir Putin einer Verschärfung des Agentengesetzes zugestimmt. Ab sofort können neben NGO und Medien auch Einzelpersonen, etwa Journalisten oder Blogger, wenn sie Honorare aus dem Ausland erhalten haben, als „ausländische Agenten“ eingestuft werden. Die Maßnahme droht Berichterstatter zu betreffen, die politisch heikle Recherchen durchführen. Medienexperten halten die flächendeckende Umsetzung des Gesetzes allerdings für schwierig, da seine Kontrolle mit hohem Aufwand verbunden ist. Was nicht heißt, dass es nicht in Einzelfällen zur Anwendung kommen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2019)

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