Müssen Kinder den Eltern dankbar sein? „Schuldgefühle trennen, sie verbinden nicht“

Barbara Bleisch sagt: „Eine gleichgestellte Gesellschaft braucht diesen Muttertag in dieser Weise nicht.“
Barbara Bleisch sagt: „Eine gleichgestellte Gesellschaft braucht diesen Muttertag in dieser Weise nicht.“(c) Miriam Kluka
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Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist mit zu vielen Konventionen beladen, sagt Barbara Bleisch. Das zeigt sich auch am Muttertag. Ein Tag, der aus Sicht der Schweizer Philosophin schon lang seine Berechtigung verloren hat.

Hat ein erwachsener Sohn seine Mutter zu besuchen und ihren Geburtstag mit ihr zu feiern? Muss sich eine Tochter an der Pflege ihres Vaters finanziell beteiligen? Und muss man Vater und Mutter an den dafür vorgesehenen Tagen ehren? Die Schweizer Philosophin Barbara Bleisch kommt in ihrem jüngsten Buch zu dem Schluss: „Nein, Kinder schulden ihren Eltern nichts.“ Bei den Lesern hat „Warum wir unseren Eltern nichts schulden“ zu heftigen Reaktionen geführt: Die einen kritisieren, Bleisch bringe mit ihrer These das wertvolle System Familie zum Kollabieren. Die anderen loben, dass sie das Eltern-Kind-Verhältnis endlich von überkommenen Konventionen befreit hat. Ein Gespräch mit der polarisierenden Autorin:

Heute ist Muttertag. Anlass zu feiern und seiner Mutter zu danken?

Barbara Bleisch:
Klar, viele sind ihrer Mutter dankbar. Und das ist auch gut so. Ich bin meiner Mutter auch für vieles dankbar. In meinem Buch unterscheide ich zwischen verschiedenen Formen der Dankbarkeit. Es gibt die Dankbarkeit als Tugend, die einer positiven Würdigung des Geschehenen entspricht. In diesem Sinne dankbare Menschen sind nicht nur angenehmere Zeitgenossen, sie sind auch glücklicher. Davon zu unterscheiden ist die Dankesschuld: die Vorstellung, dass wir jemandem dankbar sein müssen für einseitig erbrachte Vorteile. Haben Eltern in diesem Sinn Anspruch auf Dankbarkeit? Ich meine: allein aufgrund ihrer Elternschaft nicht. Kinder fühlen sich hoffentlich zu Dank verpflichtet, weil sie positiv auf ihre Kindheit blicken; einen Anspruch auf Begleichung einer Dankesschuld haben Eltern aber nicht.

Wie verbringen Sie den Muttertag?

Mit meinen eigenen Kindern und meinem Mann, so wie ich jeden Sonntag gern mit meiner Familie verbringe. Ich versuche, meinen Kindern zu zeigen, welch großes Geschenk sie für mich sind und dass ich ihnen ebenso viel verdanke wie sie mir. Der Muttertag ist für unsere Familie ohnehin überholt, weil mein Mann und ich beide berufstätig und zugleich Eltern sind.

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