Den Forschergeist ausleben

Erwin Cetl untersucht für die Bachelorarbeit die Beleuchtung im OP-Saal.
Erwin Cetl untersucht für die Bachelorarbeit die Beleuchtung im OP-Saal.(c) Stanislav Jenis
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Wissenschaftlich interessierte Studierende haben an Fachhochschulen die Möglichkeit, schon früh an angewandter Forschung mitzuarbeiten. Drei Projekte aus studentischem Blickwinkel.

Wöchentlich je 24 Stunden als Diplomkrankenpfleger, 15 als Student und 15 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule: Mit insgesamt 54 Wochenstunden ist Erwin Cetl, Bachelorstudent an der FH Campus Wien, ziemlich eingeteilt. Den Rest seiner Zeit wendet er für Lernen und Familie auf. Dazu kommen derzeit die Vorbereitungen für seine Hochzeit.

Berufsbegleitendes Studieren zu ermöglichen, ist eine Domäne von Fachhochschulen. Dennoch hat, wer sich neben seinem Job und dem meist ziemlich anwesenheitsintensiven FH-Studium zusätzlich für die Mitarbeit an Forschungsprojekten interessiert, naturgemäß Mühe, all dies unter einen Hut zu bringen. Und doch bieten sich gerade berufstätigen Studierenden gute Möglichkeiten dafür, sind doch Fachhochschulen vom Gesetzgeber speziell mit anwendungsorientierter Forschung beauftragt. Wer mitten im Beruf steht, hat dadurch oft Gelegenheit, Fragestellungen aus der Praxis zu Forschungsprojekten umzuwandeln.

Erwins wissenschaftliches Interesse gilt derzeit einer Thematik, die ihm als Krankenhausmitarbeiter naheliegt: dem Operationssaal der Zukunft. „OPIC“ (OP Innovation Center) heißt das Kürzel der FH Campus Wien für den ersten Forschungs-Operationssaal Österreichs, der seit Ende 2017 in Betrieb ist. Der Hightech-OP mit Intensivstation, Aufwach- und Technikraum ermöglicht das Simulieren medizinischer Eingriffe und das Trainieren von Abläufen. Für Erwin ist er auch Forschungsobjekt. Der diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger verfasst seine Bachelorarbeit über die Lichtstimulation im Operationssaal.

Hilfreiches HTL-Know-how. Der OP war zudem auch Anlass für die Ausschreibung der besagten Forschungsstelle im Ausmaß von 15 Wochenstunden, die Erwin innehat. „Es geht darum, den OPIC in die Lehre zu integrieren und neue didaktische Konzepte für eine interdisziplinäre Nutzung zu entwickeln. Ich wurde dafür ausgewählt, weil ich nicht nur in der Pflege tätig bin, sondern durch meinen HTL-Abschluss auch ein gewisses technisches Grundverständnis mitbringe“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter. Das erworbene Wissen würde er gern in ein anschließendes Masterstudium einbringen, um später nach Möglichkeit wieder in der Forschung tätig zu sein.

Natascha Mariacher macht mit Projektleiter Stephan Schögl Siri & Co. schlauer.
Natascha Mariacher macht mit Projektleiter Stephan Schögl Siri & Co. schlauer.(c) Beigestellt



Ein weites Themenfeld für die Forschung bietet sich Studierenden auch in speziellen Bereichen der Informatik. Mit neuen Aspekten künstlicher Intelligenz setzen sich beispielsweise Studierende in Forschungsprojekten des Management Centers Innsbruck (MCI) auseinander. Angehende Absolventen des Masterstudiums „Management, Communication & IT“ beschäftigen sich sowohl in ihren Abschlussarbeiten als auch in kleineren Projekten mit der Frage, ob sogenannte intelligente Assistenten, wie Alexa oder Siri, auch zu sozialer Intelligenz befähigt werden können. „Die Verbindung von Mensch-Computer-Interaktion, künstlicher Intelligenz und sozialer Intelligenz ist ein sehr spannendes Thema, da künstliche Intelligenz ein immer größerer Bestandteil unseres Lebens wird“, sagt Studentin Natascha Mariacher.

Menschlichere Chatbots. Sie selbst untersuchte in ihrer Masterarbeit die soziale Intelligenz von Chatbots im E-Commerce-Bereich. Chatbots sind technische Dialogsysteme, mit denen User per Texteingabe oder Sprache kommunizieren können. Gemeinsam mit ihrem Betreuer und den ebenfalls an einschlägigen Themen interessierten Studenten Luisa Brinkschulte und Mario Neururer führte sie unter der Bezeichnung „LAuRA – Linguistic Authenticity in (Ro)Bot Authoring“ einige Forschungsprojekte durch, für die sie auch geringfügig angestellt wurden. Das Interesse an Forschung ist bei Natascha, die inzwischen ihre Masterarbeit abgeschlossen hat, heute noch immer spürbar. Dennoch entschied sie sich bereits vor der Graduierung zum Master dazu, beruflich einen anderen Weg einzuschlagen, und arbeitet nun bei einem Tiroler Konzern. Ihre künftige Abteilung passe exakt zu den Lehrinhalten ihres Studiums, sagt die Absolventin. „Trotzdem bin ich sehr interessiert daran, welche neuen Erkenntnisse die Forschung bringen wird und werde die Themen sicherlich weiterverfolgen und auch weiterhin mit
meinen Kollegen an Projekten arbeiten.“ Ob dies neben einem Vollzeitjob auch realistisch sei, werde sich zeigen. Jedoch sollten aus ihrer Sicht zumindest manche Forschungsergebnisse publiziert werden. „Es steckt wirklich sehr viel Arbeit drin. Es wäre schade, wenn das nur in einer Lade verstauben würde.“

Mit „Genschere“ gegen Krebs. Noch nicht fertig, jedoch mit der Masterarbeit auf der Zielgeraden ist Victoria Sarne, die an der IMC FH Krems „Medizinische und pharmazeutische Biotechnologie“ studiert. Auch hier ist die Thematik mehr als aktuell. Es geht um Epigenetik – also um alle Faktoren, die zusätzlich zu den bekannten genetischen Prozessen die Aktivität von Genen beeinflussen können. In diesen Bereich der Forschung fällt auch das Verfahren zur Veränderung von Erbgut, das laiensprachlich als „Genschere“ (wissenschaftlich als CRISPR/Cas9) in den vergangenen Jahren für enormes Aufsehen gesorgt hat.

Victoria Sarne schnipselt mit ihrer Supervisorin Rita Seeböck an Krebsgenen.
Victoria Sarne schnipselt mit ihrer Supervisorin Rita Seeböck an Krebsgenen.(c) Beigestellt



An der FH Krems wird seit drei Jahren innerhalb eines FFG-geförderten Projekts in einem Einsatzgebiet für die Genschere geforscht, das für Lungenkrebs-Patienten bedeutsam werden könnte. „DNA-Methylierung im Lungenkrebs und ihre geschlechtsspezifische Auswirkung auf die Effizienz epigenetischer Therapien“ nennt sich dieses zentrale Forschungsfeld onkologischer Diagnostik, in dem auch Victoria tätig ist. „Ich versuche, die DNA-Methylierung in Zellen gezielt zu verändern und damit eine Änderung im Verhalten der Zellen zu verursachen“, sagt die Masterstudentin, die die Bedeutung des Forschungsprojekts vor allem für den Zukunftsbereich der personalisierten Medizin sieht.

Ihre FH lege sehr viel Wert darauf, die interne Forschung zu fördern, und habe sie in ihrer Arbeit sehr unterstützt, sagt Victoria. Dennoch sei man als Forscherin, wie in fast jedem Beruf, immer mit neuen Herausforderungen konfrontiert. „Dabei muss man eine gewisse Leidenschaft für die Forschung an sich und das Projekt speziell haben. Vor allem wenn etwas, wie es häufig vorkommt, nicht in der geplanten geraden Linie, sondern eher im Zick-Zack voran geht, ist es wichtig, seine Frustration zu überwinden und am Ball zu bleiben.“

Offenbar scheint diese Übung zu gelingen, denn für Victoria steht schon jetzt fest, auch nach dem FH-Abschluss weiter in der Forschung arbeiten zu wollen. „Ja, das ist mein Plan“, sagt die Studentin. „Nach meinem Abschluss habe ich bereits eine befristete Anstellung als Junior Scientist an der FH Krems, und danach würde ich gerne eine passende PhD-Stelle finden, um meine akademische Laufbahn fortzusetzen.“ 

("UniLive", Print-Ausgabe, 26.09.2018)

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