Smartes Arbeiten: Losgelöst von Raum und Zeit?

Die Digitalisierung verändert so gut wie jeden Bereich. Natürlich auch die Art und Weise wie wir werken. Und die Orte, an denen wir das tun. Über Arbeitswelten und Büroflächen, Lösungen und Lifte, Smartphones und Kalenderdisziplin.

Bei der Digitalisierung nicht mitzumachen, kann für Unternehmen ein teures Vergnügen sein: Ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, die eigenen Produkte und/oder Dienstleistungen mit einem halbherzigen Konzept an den Kunden zu bringen, lassen es sich mittlerweile Mitarbeiter teuer bezahlen, in einem diesbezüglich rückständig ausgestattetem Unternehmen anzuheuern.

„Untersuchungen haben gezeigt, dass Mitarbeiter bereit sind, um für fünf bis 15 Prozent weniger Gehalt bei Unternehmen zu arbeiten, die sie mit Arbeitsmitteln auf dem neuesten Stand versorgen und ein flexibles, smartes Arbeiten zulassen“, berichtet Michael Bartz, Professor für Digital Business Transformation Research, Section „New World of Work“, der IMC Fachhochschule Krems. Oder im Umkehrschluss: Wer glaubt, ohne Diensthandys und -tablets und dafür mit einem Stand-PC für die Mitarbeiter sein Auslangen zu finden, bekommt um einen hübschen Zuschlag jene Kräfte, „mit denen sich eher kein Blumentopf gewinnen lässt“, wie es Andreas Gnesda, Inhaber von Team Gnesda, formuliert.
Die gute Nachricht aber ist, dass ein Großteil der österreichischen Unternehmen diese Botschaft verstanden und auch umgesetzt hat. Notebook-Automaten, wie sie im Facebook-Headquarter von jenen Mitarbeitern genutzt werden, die für ein paar Stunden hereinkommen und ein Gerät benötigen, sind hier noch nicht angekommen. Aber ein vernünftiges Firmenhandy für alle Mitarbeiter ist inzwischen auch in Österreich Standard. „Ein gutes Handy, das man auch privat gern nutzt, muss heute normal und darf in Zeiten der Digitalisierung kein Privileg mehr sein“, ist Karl Friedl, geschäftsführender Gesellschafter von M.O.O.CON Österreich überzeugt. Denn Unternehmen, die in der Vergangenheit keine oder günstige Smartphones ausgegeben haben, sahen sich massiven Sicherheitsproblemen gegenüber: Die jungen, engagierten Mitarbeiter brachten oft ihre eigenen, besseren Geräte mit, um ihre Aufgaben effizienter und befriedigender erledigen zu können.

... und das Doka Lab, in denen M.O.O.CON mit dem Konzept des „Acitivity Based Workings“ gearbeitet haben.
... und das Doka Lab, in denen M.O.O.CON mit dem Konzept des „Acitivity Based Workings“ gearbeitet haben. (c) Helge Bauer

Studien zu „NoMoPhobia“

Dieses „BYOD“ für „Bring your own Device“ trieb allerdings den Sicherheitsverantwortlichen in den Unternehmen den Schweiß auf die Stirn, die das dann stoppen wollten. Die Idee, sich dagegen mit dicken Wänden und schlechten WLAN-Netzen zu schützen, stellte sich aber schnell als eine schlechte heraus. „Es existieren inzwischen zahlreiche Studien, die aufzeigen, dass sogar Ängste und Stress entstehen können, wenn die Gefahr besteht, vom eigenen Handy getrennt zu sein“, erklärt Bartz ein Phänomen, das schon einen eigenen Namen hat: „NoMoPhobia“ ist die Angst vor „NO Mobile Phone“.

Und die ist nicht einmal unberechtigt, wie Gnesda bestätigt: „Es gibt inzwischen einfach unglaubliche Anhängigkeiten“, so der Büroplaner. „Wenn mir heute mein Mobiltelefon ins Wasser fällt, weiß ich nicht einmal mehr die Telefonnummer meiner Kinder“, bringt er auf den Punkt, wie groß die Bedeutung eines Smartphones für die meisten Menschen inzwischen ist. Von der Verbindung zu den sozialen Netzwerken ganz zu schweigen. All das während der Arbeitszeit „abzudrehen“ oder aus Sicherheitsgründen den Empfang zu erschweren, treibt die guten Leute aus dem Unternehmen. Weshalb immer häufiger der umgekehrte Weg gegangen wird und die Firmen eine – gesicherte – Infrastruktur zur Verfügung stellen, die privat genutzt werden kann. Dazu gehören neben einem guten Smartphone meist Tablet und/oder Notebook, wobei immer mehr Geräte beides in einem sind. Ein Trend, der sich laut Friedl fortsetzen wird: „In Zukunft wird man nicht mehr drei oder vier Geräte haben, sondern eher nur mehr ein integriertes.“

Geplante und gerade in Bau befindliche Projekte (etwa Austria Campus) gehen auf die neuen Bedürfnisse ein.
Geplante und gerade in Bau befindliche Projekte (etwa Austria Campus) gehen auf die neuen Bedürfnisse ein.(c) Signa

Auslaufmodell Aufenthaltsort

Mit dem lässt sich dann von überall her zum Wohle und Gelingen des Unternehmens beitragen, denn das Modell des Büros als täglichem Aufenthaltsort zu Arbeitszwecken ist definitiv ein auslaufendes und Mobilität das allgegenwärtige Schlagwort, wenn es um die modernen Arbeitswelten geht. Wobei: „Das ist ein Kulturwandel, der bewusst eingeleitet werden muss“, wie Friedl betont. Denn einfach nur die Anwesenheitspflicht aufzuheben und gute Geräte auszugeben, führt außer zu Chaos zu gar nichts. Vielmehr müssen die neuen Arbeitswelten genau auf die sich ändernden Bedürfnisse zugeschnitten sein und klare Regeln dafür sorgen, dass weiterhin ein funktionierendes Miteinander gegeben ist, auch wenn nicht mehr alle täglich am gleichen Ort sind.

Treffen, virtuell

Die große Frage allerdings heißt: Was ist eigentlich ein Ort in den neuen Konzepten des mobilen Arbeitens? „Wir müssen da zwischen analogen und digitalen Räumen unterscheiden“, erklärt Friedl. „Der Satz ‚ich treffe mich mit meiner Chefin‘ hat heute eine ganz andere Bedeutung und muss sich nicht auf einen physischen Raum beziehen.“ Deshalb muss bei der modernen Büroplanung analysiert werden, was überhaupt wo passiert. „Die unterschiedlichen Tätigkeitsmuster entscheiden, was in digitalen oder analogen Räumen stattfindet und daraus entstehen dann Module, etwa zum Skypen, um in Ruhe zu arbeiten oder Workstations.“

Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Berücksichtigung der internen und externen Mobilität. Was an einem typischen Arbeitstag beispielsweise das friktionsfreie Sicherstellen von Prozessen bedeutet: So soll der Mitarbeiter in der Früh seine Mails in der Firma checken können, danach an einem Projekt im Kreativraum teilnehmen, später an einer Besprechung und anschließend an einer Skype-Konferenz. Und dann extern weiter vernetzt und arbeitsfähig sein, während er erst sein Kind abholt und dann im Home-Office weiterarbeitet. Oder einfach im Park werkelt, weil das Wetter schön ist.

 The Icon Vienna.
The Icon Vienna.(c) The Icon Vienna

Fließende Übergänge

Wobei die Übergänge immer fließender möglich gemacht werden, wie Bartz anhand der Technologie im neuen Orbi Tower erklärt, in dessen Planung er eingebunden war. „Dort haben wir mit Repeatern sichergestellt, dass jemand, der zum Beispiel in einer Telefonkonferenz sitzt, die länger dauert als erwartet, und im Anschluss zu einem Kundentermin muss, das Gespräch zuerst nahtlos auf sein Handy und dann auf die Freisprechanlage im Auto umschalten kann“, erklärt der Wissenschaftler die Technologie, die durch alle Aufzüge und bis in die Tiefgarage vorhanden ist. Und den berühmten Satz „Ich bin gleich im Lift“, der im vergangenen Jahrzehnt verlässlich ein Abbrechen der Verbindung ankündigte, in Zukunft unnötig machen könnte.

Damit die schöne neue Mobilität wirklich funktioniert, braucht es allerdings fixe Regeln, an die sich alle Mitarbeiter halten. „Das A und O ist auf jeden Fall die Nutzung des elektronischen Kalenders“, so Bartz, und das müsse vehement durchgesetzt werden. Dazu gehöre das Öffnen des eigenen Kalenders und das Eintragen der persönlichen Urlaubs- und Home-Office-Tage. Eine weitere Voraussetzung sei, dass alle Prozesse auch entsprechend digital abgebildet sind, wie Friedl erklärt: „Wenn ein Versicherungskonzern etwa noch nicht alle Polizzen digitalisiert hat, wird das ortsunabhängige Arbeiten nicht funktionieren“, so der Berater. Noch viel wichtiger sei allerdings, dass ein Unternehmen auch innerlich bereit für die neuen mobilen Arbeitswelten ist – und zwar durch alle Ebenen.

„Lähmschicht Mittelmanagement“

„Hier stoßen wir oft auf die Lähmschicht des mittleren Managements“, Bartz, „denn die haben häufig nur etwas zu verlieren“. Wie beispielsweise das Statussymbol der eigenen Sekretärin, deren Aufgaben in der Mittelschicht der digitalen Arbeitswelten zunehmend weniger werden. Auch Friedl hat mit Teilen des Mittelmanagements nicht immer gute Erfahrungen gemacht: „Die größte Hürde ist oft die 50+-Generation, die nicht damit aufgewachsen und jetzt damit konfrontiert ist.“ Ganz oben dagegen werden die Notwendigkeit und auch Chancen für das Unternehmen immer häufiger verstanden, was sich allein daran zeige, dass in Meetings über neuen Bürokonzepten heute nicht mehr nur das Facility-, sondern immer häufiger auch das Top-Management sitzt. Zumal diese Chancen bei kühler Kalkulation nicht mit höheren Kosten verbunden sein müssen, sagt Gnesda: „Wenn ich die Kosten des IT-Equipments und der Telefonanlagen von vor 20 Jahren mit heute vergleiche, sind sie in der Realität sicher gesunken.“

Vom Dach über den Lift bis in die Garage: Neue Technologien, etwa im Orbi Tower, machen Kommunikation ohne Unterbrechungen möglich.
Vom Dach über den Lift bis in die Garage: Neue Technologien, etwa im Orbi Tower, machen Kommunikation ohne Unterbrechungen möglich.(c) IWS Towntown AG

Weniger Rechenzentren, Reisen

Um das Geld könne jeder Mitarbeiter leicht mit einem Smartphone, Tablet und Notebook in guter Qualität ausgestattet werden. Und dabei seien die Einsparungen im Vergleich einstiger Rechenzentren mit den Möglichkeiten des Cloudcomputings noch nicht berücksichtigt. „Außerdem sind die Kosten für Dienstreisen massiv gesunken“, weist Gnesda auf einen anderen Nebeneffekt hin. Und das gesparte Geld muss häufig nicht einmal mehr in aufwendige Videokonferenzräume investiert werden, weil man sich über WhatsApp, Facetime oder Skype mehr oder weniger kostenfrei von Angesicht zu Angesicht weltweit unterhalten kann.“ Auch was die reinen Flächen angeht, sind die schönen neuen Arbeitswelten, die nach Bartz‘ Forschungen in Zukunft noch viel stärker „Erlebnislandschaften mit Nischen für alle Bedürfnisse und jeden Geschmack“ werden dürften, eher eine Okkasion: „Zumeist braucht es sogar weniger Quadratmeter als vorher“, berichtet Friedl.

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