Das Fundament steht im Labor

(C) Ca Immo
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Was ein schlaues Bürohaus werden will, muss früh mit dem Studium beginnen. Zwei Jahre vor der Eröffnung haben die digitalen Bausteine des Cube Berlin in Aachen zu lernen begonnen. Ein Besuch.

Dieses helle Dauersurren hängt sich ins Ohr. Ein bisschen Lippenlesen hilft, um dem Vortrag im Forschungslabor der Technischen Hochschule Aachen nachzukommen. Ablenkungsmaterial steht genug zur Verfügung, in jeder Richtung tanzen Lämpchen, zeichnen Displays bunte Grafiken. Dann kleben noch verdächtig viele Sensoren an der Decke, sie haben Fingernagelgröße. Nebenan werden neue selbstfahrende Elektroautos aus Kunststoff ausgelasert und zusammengesteckt, und hier im Labor des Cube Berlin wird seit einem Jahr der Betrieb jenes zehnstöckigen Gebäudes getestet, das im Herbst 2019 in Berlin eröffnet werden soll.

Das „brain“ des sogenannten Smart Building wurde hier bereits hochgefahren, um das Zusammenspiel aller Beacons, Sensoren, Gateway-Server, Portale und der Cloud zu trainieren. Wie passen die verschiedenen Hersteller zusammen? Wie laufen die Funktionen unter realistischen Bedingungen ab? Fragen, zu denen Bauindustrie und Immobilienwirtschaft noch wenige Antworten parat haben. Um im Fall eines Cyberangriffs gewappnet zu sein, testen professionelle „Hacker“ die Sicherheit des Systems. Begonnen hat alles mit dem Blick aus der Nutzerperspektive. „Die ganze Welt ist heutzutage miteinander verbunden. Wie schafft man es, Interaktivität zwischen Gebäuden und Menschen herzustellen? Und welchen Mehrwert hat das überhaupt?”, fragt Matthias Schmidt, Entwicklungsleiter der CA Immo beim Treffen am Campus. Der Mehrwert ist eine Wertsteigerung der Immobilie und die Effizienzsteigerung in mehrere Richtungen. Ein selbstlernendes Gebäude, wie der Cube, soll sich nämlich selbst optimieren. Für den Nutzer soll ein volldigitalisiertes Haus Zeit und Energie sparen.

(C) Disruptive Technologies

Cube Berlin

Der Cube Berlin füllt die letzte freie Baufläche am Spreebogen gegenüber dem deutschen Kanzleramt. Weitere Nachbarn des 100 Millionen Euro schweren CA-Immo-Projekts sind der Berliner Hauptbahnhof und verschiedene Hotels. Der Bau besetzt eine Fläche von 19.000m², jede Mieteinheit wird zwischen 300m² und 1400m² groß sein. Die Architekten von 3XN Kopenhagen sind für das Würfel-Design verantwortlich, Drees & Sommer für das umfangreiche Digitalisierungskonzept und Thing-it für die Native App. Der Cube Berlin will im Herbst 2019 als „schlaustes Bürogebäude Europas“ seine Tore öffnen. Der Vermieterstand lag Ende Juli bei 60 Prozent.

Das Telefon steuert


Zur Veranschaulichung die Idealvorstellung: Der geneigte Mieter wird von einem hauseigenen, autonom fahrenden Elektroauto (hier ist der deutsche Hersteller E.Go im Gespräch) von zu Hause abgeholt und am schnellsten Weg an den Washingtonplatz 3 befördert, während er sich vielleicht noch an Kaffee und Jause labt. Einen Parkplatz findet das Auto über die intelligente Parkhaussteuerung. Einlass bekommt es automatisch, weil die Sensoren am Tor das Smartphone oder die Cube App des Insassen erkennen. Auf die gleiche Weise bekommt man Zutritt in die Lobby. Und jetzt wird es wild. Nachdem die App weiß, wie der Tag des Handy-Besitzers aussieht, so alle Termine im Kalender eingetragen sind, reserviert sie gleich einen passenden Platz im Shared-Desk-Bereich. Natürlich am Fenster, dort sitzt man ja am liebsten. Flach fällt die Stockwerkauswahl im Aufzug, der weiß nämlich schon, wo der Mitarbeiter hin muss. Sensoren am Schreibtisch erkennen, wer wer ist und stellen die gespeicherte Arbeitshöhe ein. Vom Telefon aus lässt sich dann noch Temperatur, Licht, Schatten, Meetingräume, Essen und After-Work-Lauftreff regeln, buchen, bezahlen. An dieser Stelle bleibt zu hoffen, man möge nie das Telefon zu Hause vergessen. Aber in diesem Fall stehen dann Leihgeräte zur Verfügung.


Als zentrales Element der Digitalisierung hat die CA Immo eben das Smartphone bestimmt und damit auch das Schlagwort des Projekts festgelegt: „Bring your own device”. Damit soll die Hemmschwelle zur Technisierung des Gebäudes im Vorhinein gebrochen werden – jeder kann sein eigenes Telefon bedienen. Und die, die es nicht können, fallen sowieso aus der Zielgruppe. Das Haus müsse zwar genauso für die Generation Z funktionieren wie für die Silberrückenfraktion, sagt Klaus Dederichs von Drees & Sommer, die das Digitalisierungskonzept des Hauses entworfen haben, „aber wir haben es nicht für die Silberrücken, sondern für die nächste Generation gebaut.” Das eigentliche Gebäude steht nahe dem Berliner Hauptbahnhof, direkt an der Spree. Der Rohbau hat seine Endhöhe bereits erreicht. Im Herbst 2019 wird mit der Fertigstellung gerechnet, investiert wurden dann gut 100 Millionen Euro. Den Wettbewerb gewonnen haben 3XN Kopenhagen, ihre abstrakte Glashülle mit den 6600 verschiedenen Scheibenformaten steht ein wenig im Schatten der 3750 Minisensoren des digitalen Konzepts. Am Schnittpunkt flexibler Arbeitmodelle und schlauer Gebäudestrukturen gibt es noch nicht viel Vergleichbares, am ehesten noch „The Edge“ oder „Spark“, beide in Amsterdam, aber diese schlauen Häuser sind auch nicht mehr ganz frisch. Und an der Hardware nagt die Zeit schneller als am Beton.

Wo sind die Grenzen?


Was die Idee des Smart Building mit sich bringt, ist ein Paradigmenwechsel. Wurde der Wert einer Immobilie bisher an Lage, Alter und Ausstattung gemessen, kommen jetzt seine digitalen Funktionalitäten ins Spiel. „Der Cube ist als Gebäude wertvoller, weil er mehr kann. Ich kann nächstes Jahr einen USB-Stick reinstecken und eine neue Software einspielen”, sagt Dederichs.
Weg von der Hardware, hin zur Software – ein Trend, den man auch aus anderen Bereichen kennt. Und Fassade hin, Dämmerung her, „die beste Energieeffizienz ist immer, Dinge abzuschalten, die man nicht braucht.” Der Cube Berlin soll seine Nutzer daher tracken und auf sie reagieren. Wie viele Aufzüge müssen ab 19 Uhr in Betrieb sein? Welche Plätze werden kaum genutzt? Die gesammelten Daten sollen anschließend geteilt werden, damit ein anderes Gebäude von Cube lernen kann. „Dann sind wir am richtigen Weg”, sagt Dederichs. Datenschutz sei bei all dem selbstverständlich ein großes Thema gewesen. Beruhigung kommt in kleinen Happen: Jeder soll im Cube selbst bestimmen, ob er zwecks Communitybuilding mit seinen persönlichen Daten in der App sichtbar sein will oder nicht. Das Haus ist darüber hinaus DSGVO-konform. Und wenn alles schiefgeht, lässt sich der Cube noch immer herunterfahren – dann läuft er eben analog.

Smart Building

Trends. In der „Neuen Welt der Arbeit“ spiegelt sich der Einsatz von flexiblen Büroflächen im Wunsch der jungen Generation nach einem flexiblen Berufsleben. Der Einsatz von Immobilientechnologien ist ebenfalls im Steigen. Vorrangig sollte hier immer das Nutzererlebnis sein, wird dieses nicht durch digitale Dienstleistungen optimiert, ist der Mehrwert fraglich. Im Fokus stehen: Navigations-Apps, persönliche Umfeldkontrollsysteme und vernetzte Minisensoren wie die kleinen Dinger im Bild von Disruptive Technologies.

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