Schulbauten

Tratschen, Tüfteln, Toben: Architektur zum Lernen

hallwangalbrecht/imman
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Lernecken, Sitzstufen und durchsichtige Wände: Wie pädagogische Konzepte die Architektur von Schulhäusern bestimmen.

Was muss ein Schulhaus können, damit Kinder gut und nach zeitgemäßen pädagogischen Konzepten lernen können? Eine Frage, die zwar noch nicht allzu lange auf der Agenda der Schulerhalter steht, Gangschluchten und eintönige Klassenzimmer aber im wahrsten Sinn des Wortes alt aussehen lässt.
Auf welche Weise Architektur der Nutzung als Schule gerecht wird, zeigen etliche preisgekrönte Projekte – wie etwa die mit dem Bauherrenpreis 2018 ausgezeichnete Volksschule Lauterach in Vorarlberg. Das Grazer Architektenduo Feyferlik/Fritzer, von dem auch die mit der Geramb-Rose gewürdigte Volksschule Bad Blumau stammt, hat hier unter anderem das derzeit vielfach forcierte Cluster-Modell umgesetzt: Die Klassenzimmer wurden, durch unterschiedliche Raumtrennungsmöglichkeiten flexibel gestaltbar, rund um einen zentralen „Marktplatz“ angeordnet.

Was früher als „Tratschen“ verpönt war, nennt sich nun „peer-to-peer-Erfahrungsaustausch“ und ist auf diesem Marktplatz ausdrücklich erwünscht. Denn Kinder lernen ja nicht nur vom Lehrer, sondern auch von Gleichaltrigen. Und die bauliche Gestaltung der Schule kann dies durch Zurverfügungstellung entsprechender Räume unterstützen, wie es der italienische Erziehungswissenschafter Loris Malaguzzi in seinem Diktum vom Raum als „drittem Pädagogen“ formuliert hat.

Lesen im Baumhaus

Marktplätze, Lernräume, Lernecken: Die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten passieren immer öfter in Kleingruppen statt in fixen Klassenverbänden. So wie in der ebenfalls mit dem Bauherrenpreis 2018 prämierten Bundesschule Aspern, geplant vom Wiener Architekturbüro „Fasch & Fuchs“. Hier sind die Unterrichtsräume für die Oberstufe nach Fachgruppen statt Klassen geordnet, die Schüler wandern je nach Gegenstand von Raum zu Raum. Heute weiß man schließlich, dass Bewegung die geistige Aufnahmefähigkeit steigert, „und dieses Bewegen wird räumlich nicht nur im Turnsaal festgemacht“, wie Brigitte Rabl vom Österreichischen Institut für Schul- und Sportstättenbau erläutert. Im Volksschulbereich fördert es zudem die motorische Entwicklung, wenn die Kleinen neben Stufen auf schrägen Böden Niveau-Unterschiede bewältigen können, oder die Schulbibliothek als Abenteuerzimmer gestaltet ist, in dem man sich mit der Lektüre über eine Seilleiter in ein Baumhaus zurückziehen kann.

Ruheplätze

Das durch die Architektur unterstützte Anbieten von Rückzugsmöglichkeiten dient auch der Erhöhung der Aufenthaltsqualität. Komfortable Sitzmöglichkeiten statt – oft zu niedriger – Holzsessel gehören ebenso dazu wie großzügige Glasflächen an der Fassade. „Man muss ja nicht stundenlang gleichbleibendem Neonlicht ausgesetzt sein“, erklärt Markus Bogensberger, Geschäftsführer im Grazer Haus der Architektur, das im Vorjahr eine Ausstellung über Schulbauten im Wandel der Zeit präsentierte. Zudem schafft Glas Blickbeziehungen nach draußen, was dem Gefühl des Eingesperrtseins in der Schule gegensteuert. Wichtiger daher auch die räumliche Gestaltung des Umfelds: Nicht nur bei der VS Hallwang (Salzburg) wurden deshalb Landschaftsarchitekten mit eingebunden.


Auch im Inneren des Schulgebäudes heben durchsichtige Wände Raumbegrenzungen auf. Was außerhalb der Klasse passiert, ist nicht Störfaktor, sondern Teil des Geschehens. Durch Mehrfachnutzung werden Gangschluchten vermieden und Räume belebt: „Erschließungsflächen werden etwa durch PC-Tische pädagogisch aktiviert“, so Rabl, Treppen fungieren als Sitzgelegenheit und als Zuschauertribüne für Veranstaltungen. Am kürzlich fertig gestellten BG/BRG St. Pölten, geplant von Plov ZT in Wien, hat man Sitzstufen in den als Pausen- und Sportplatz nutzbaren Innenhof verlegt.

„Nachmi“ als Extraklasse

Zusätzliche Anforderungen an das Schulgebäude stellt die Nachmittagsbetreuung, die von einer ständig steigenden Zahl von Kindern in Anspruch genommen wird. Rabl verweist auf die Notwendigkeit eines Koch- und Essbereichs, aber auch von Räumen, die das Zuhause der Kinder simulieren und den Nachmittag von der Unterrichtszeit davor differenzieren – „damit die Kinder nicht das Gefühl haben, den ganzen Tag in der Schule zu verbringen.“ Das Radstädter Architekturbüro „LP“ hat beim Bau der Hallwanger Schule darüber hinaus auch praktisch gedacht: „Die ,Nachmi' ist im Erdgeschoß unter den Klassenzimmern situiert, sodass die Eltern ihre Kinder abholen können, ohne die eigentliche Schule betreten zu müssen“, erklärt Alexander Wetschko.

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