Lehre: Bleiberecht nur für wenige

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Symbolbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nur „der eine oder andere“ Lehrling soll seine Ausbildung beenden dürfen, sagt Innenminister Herbert Kickl. Die Wirtschaftskammer will eigens Lehrlinge im Ausland anwerben.

Wien. Können Lehrlinge, die einen negativen Asylbescheid bekommen haben, ihre Ausbildung beenden? Eine Punktation der Regierung, die am Montag bekannt geworden ist, hat genau das vorgesehen. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) relativierte am Dienstag aber diese Pläne. Man werde bei Personen mit negativem Asylbescheid prüfen, „ob es die Möglichkeit gibt, dass der eine oder andere die Lehre fertig machen kann, bevor er das Land verlässt“, sagte Kickl.

Es gelte dabei zu klären, wann die Lehre begonnen wurde und wo diese gemacht wird, etwa, ob die entsprechende Lehrstelle speziell für diese Personengruppe geschaffen wurde. Jedenfalls meinte Kickl, es gebe nicht viele derartige Fälle. Und er bekräftigte die Entscheidung der Regierung, dass Asylwerber künftig keine Lehre beginnen dürfen, um keinen „Pull-Faktor“ für Migration zu schaffen.

Wirtschaftskammer für Gesamtlösung

Etwas anders argumentiert angesichts des Lehrlings- und Fachkräftemangels Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP). Mahrer will eine „Gesamtlösung“, die es der Wirtschaft ermöglicht, auch in Mangelberufen entsprechenden Nachwuchs zu finden. Kern der Bemühungen: Die Rot-Weiß-Rot-Karte solle für Lehrlinge geöffnet werden. Derzeit in Ausbildung befindliche Asylwerber könnten entweder über eine humanitäre Lösung oder auch über diese Rot-Weiß-Rot-Karte die Chance für einen Aufenthaltstitel bekommen. Beim humanitären Aufenthaltsrecht müsse es sich um eine Einzelfallentscheidung handeln, bei der man sich ansehen müsse, bei wem die positiven Aspekte überwiegen.

Für die Zukunft will auch Mahrer Asylverfahren und Lehre klar trennen. Da könnte es mithilfe der Wirtschaftskammer eigene Anwerbeprogramme für Lehrlinge im Ausland geben. Diese könnten laut Mahrer im südostasiatischen Raum oder im Nahen Osten stattfinden. Damit will man des Nachwuchsmangels Herr werden, der berufs- und regionsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt ist. Die größten Probleme, Lehrlinge zu finden, haben Tourismusbetriebe in Westösterreich.

Lehrlinge erfüllen Kriterien nicht

Damit Lehrlinge die Rot-Weiß-Rot-Karte nutzen können, müsste dieses Instrument zur Einwanderung adaptiert werden. Derzeit gibt es zwar schon die Möglichkeit, als Fachkraft in Mangelberufen eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, die dafür notwendigen Kriterien sind aber für Lehrlinge unerfüllbar. Gefordert werden nämlich eine abgeschlossene Berufsausbildung, Berufserfahrung und möglichst auch gute Deutsch- und Englischkenntnisse.

Die Wirtschaftskammer hat der Regierung angeboten, gemeinsam neue Regeln für die Rot-Weiß-Rot-Karte zu entwickeln. Dabei geht es den Wirtschaftsvertretern nicht nur um die Schaffung einer neuen Kategorie für Lehrlinge, sondern allgemein auch um eine Verwaltungsvereinfachung: Die Verfahren müssten einfacher, unbürokratischer und schneller werden, so eine Sprecherin der Kammer.

Die Rot-Weiß-Rot-Karte, die 2011 als Instrument für qualifizierte Zuwanderung geschaffen wurde, hat die anfangs in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. War man beim Start noch von 8000 Zuwanderern jährlich ausgegangen, so kamen zuletzt – die jüngsten Zahlen liegen aus dem Jahr 2016 vor – nur 1773 Personen auf diesem Weg nach Österreich. Dabei spielt die Kategorie „Fachkräfte in Mangelberufen“ nur eine untergeordnete Rolle: Da gab es 2016 lediglich 153 Fälle.

Die meisten Inhaber der Rot-Weiß-Rot-Karte, nämlich 1200, sind „sonstige Schlüsselkräfte“. Das sind Arbeitnehmer, die ein Mindestgehalt von 2565 Euro erhalten und entsprechende Ausbildungen und Berufserfahrung vorweisen können. Seit dem Vorjahr gibt es auch eine eigene Kategorie für Start-up-Gründer.

AUF EINEN BLICK

Rot-Weiß-Rot-Karte. Für die Zuwanderung aus Drittstaaten (außerhalb der EU) sind etliche Kriterien zu erfüllen: Die Rot-Weiß-Rot-Karte arbeitet mit einem Punktesystem für Berufsqualifikation, Berufserfahrung, Deutsch- und Englischkenntnisse sowie Alter. Zudem wird der Aufenthaltstitel in unterschiedlichen Kategorien vergeben, wie „Hochqualifizierte“, „sonstige Schlüsselkraft“ oder „Studienabsolvent“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2018)

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