Der blaue Fehdehandschuh im Gesicht

Freiheitliches Neujahrstreffen: Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, Innenminister Herbert Kickl, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky.
Freiheitliches Neujahrstreffen: Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, Innenminister Herbert Kickl, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky.APA/HANS PUNZ
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Beim Neujahrstreffen eröffnet die FPÖ den EU-Wahlkampf gegen den „uralten Schwarzen“ Othmar Karas. So will man Wähler mobilisieren und den Koalitionspartner nicht vergrämen.

Es war alles für ein freiheitliches Fest angerichtet: Die Wiener Messehalle war in blaues Licht getüncht; die Tausenden Parteianhänger schwenkten schon zu Liedern wie „Wir sind eine Familie“ und „Immer wieder Österreich“ die rot-weiß-roten Fahnen und die provokanten Gags für die Reden der FPÖ-Politiker waren längst geschrieben. So sollte das blaue Neujahrstreffen am gestrigen Samstag die dominierende innenpolitische Nachricht sein. Dachte man. Doch dann kam einem ausgerechnet der Koalitionspartner in die Quere.

Die ÖVP hat am Samstag überraschend Othmar Karas offiziell als Spitzenkandidaten für die EU-Wahl am 26. Mai 2019 präsentiert und so trotz des FPÖ-Fests für noch größere Schlagzeilen gesorgt. Parteichef Heinz-Christian Strache schien das bei seiner Neujahrsrede bewusst zu ignorieren. Erst kurz vor Ende seiner knapp einstündigen Rede kam er auf das aktuelle Ereignis zu sprechen und hielt sich auch da auffallend knapp: „Ich kann dazu nur so viel sagen: Der Herr Karas ist das Problem der ÖVP – und nicht unseres.“

Er wird aber wohl auch das von Harald Vilimsky werden. Vilimsky tritt für die FPÖ bei der EU-Wahl an und schien bei seinem Auftritt in der Messehalle bereits ganz in Wahlkampfmodus zu sein. Er habe, sagte Vilimsky, gerade erfahren, dass der Koalitionspartner Othmar Karas ins Rennen schicke. Da tönte es „Bravo, bravo“ aus dem Publikum. „Genau, bravo ist das“, kommentierte Vilimsky die Zwischenrufe und begann zu erklären: „Sosehr ich auch Freund, Anhänger und Unterstützer der türkis-blauen Allianz bin, [. . .] so sehr bin ich auch Feind dieser alten und uralten Schwarzen.“ Genau zu diesen gehöre Karas. Er sei mehr grün als konservativ und würde sich „am liebsten mit den Sozialisten ins Bett legen“.

Gegen die Sozialisten. Er wurde sogar noch ein bisschen angriffiger: „Lieber Othmar Karas, ich werfe ihnen heute den blauen Fehdehandschuh ins Gesicht“, rief Vilimsky von der Bühne und fügte noch an – „in politischer Art“. Er würde gern mit ihm über seine Konzepte, „die keine Zukunft mehr haben“, wie etwa ein zentralistisches Europa, diskutieren. Karas, der Vertreter der alten ÖVP, wurde von Vilimsky zum Feinbild auserkoren.

So versucht die FPÖ offenbar, ihre Anhänger, die bei der EU-Wahl bisher gern zu Hause blieben, zu mobilisieren. „Ihr müsst begreifen, wie wichtig die EU-Wahl ist“, rief auch Strache den etwa 4000 Anhängern, die gar nicht alle auf den aufgestellten Bierbänken Platz hatten, zu. Es gehe in Europa darum, dem „unsäglichen Willkommenspolitikkurs“ von Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, Frankreichs Präsidenten, Emmanuel Macron, und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Absage zu erteilen. Und in Österreich sei es wichtig, „den Sozialisten zu sagen, dass sie keine Zukunft mehr haben“, sagte Strache und appellierte an die Anhänger: „Helft mir dabei.“ Nur so könne die FPÖ ihr Ziel, Platz zwei und „deutlich mehr als 20 Prozent“ erreichen.

Die „Sozialisten“, wie Strache die SPÖ in seiner Rede konsequent bezeichnete, sind beim Neujahrstreffen die Lieblingsgegner der FPÖ gewesen. Für nahezu alles, was in der Vergangenheit falsch lief, wurde die frühere „sozialistische Regierung“ verantwortlich gemacht. Darüber, dass die SPÖ nicht allein, sondern gemeinsam mit der ÖVP regierte, wurde geschwiegen. Den eigenen Koalitionspartner und vor allem Bundeskanzler Sebastian Kurz vermied Strache, der beim Neujahrstreffen zum zweiten Mal in seiner Funktion als Vizekanzler sprach, tunlichst zu erwähnen.

Es sei die SPÖ gewesen, die die Grenzen für alle in unser Sozialsystem geöffnet habe, auch für „tschetschenische Großfamilien“. Österreich hätte sich viel – auch die steigende Gewalt an Frauen – ersparen können. „Die Willkommensklatscher haben Mitverantwortung bei dem, was da gerade passiert“, rief der Vizekanzler ins Mikrofon und erhielt dafür viel Applaus. „Diese SPÖ hat den Schaden angerichtet, und es ist gut, wenn diese SPÖ die nächsten 20 Jahre nicht mehr in die Regierung kommt.“

Die FPÖ ist mit ihrer nunmehrigen Regierungsbeteiligung hingegen noch lang nicht an ihrem Ziel angekommen. Das ließ auch Vilimsky durchklingen: „Für dich, lieber H.-C. wird der Vizekanzler nicht die letzte Station deiner Karriere sein.“ Der griff das gern auf und sagte: „Es steht bei mir der Vize vor dem Kanzler, das nächste Mal soll der Kanzler davorstehen. Es sollten die letzten Worte Straches bei der Veranstaltung sein.

Hitlergruß gezeigt.
Es waren aber nicht die letzten Bilder. Die Kameras, auch die von FPÖ-TV, liefen weiter, als auf der Bühne schon lang in großen Lettern „Gute Heimfahrt“ zu lesen war. Viele Anhänger blieben und suchten die Nähe zum Parteichef. Strache posierte für Fotos und plauderte mit Fans. Als er sich von einem Mann, mit dem er zuvor sprach, abwandte, hob der die Hand zum Hitlergruß. Dann schwenkte die Kamera ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2019)

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